Brigitte Zypries kann die Empörung über Christian Klars Freilassung im Januar nächsten Jahres nicht wirklich nachvollziehen. Klar habe die gleichen Rechte wie jeder andere Straftäter auch. Hier geht es zur Bildergalerie

Berlin. Die Bundesjustizministerin kommentiert die kritischen Äußerungen, wie folgt: "Rechtsstaatlich ist das ein ganz normaler Vorgang. Herr Klar hat 26 Jahre in Haft gesessen. Jetzt hat ein Gericht entschieden und den Rest der Strafe gegen bestimmte Auflagen zur Bewährung ausgesetzt", sagte sie der "Passauer Neuen Presse". Der Ex-Terrorist werde mit seiner vorzeitigen Entlassung im Januar 2009 eben behandelt wie jeder andere Straftäter in Deutschland. Der 56-Jährige war das bisher am längsten inhaftierte RAF-Mitglied; der Richter sieht keine Rückfallgefahr.

Zypries appellierte zugleich im Namen der RAF-Opfer: "Es wäre gut, wenn - vor allem im Interesse der betroffenen Familien - die Beteiligten ihren Beitrag leisten würden, damit die Taten der RAF endlich aufgeklärt werden können." Dies gelte "für Herrn Klar genauso wie für alle anderen Mitglieder der RAF. Einen Schlussstrich unter dieses Kapitel unserer Geschichte kann es so nicht geben."

Klar sitzt bereits seit 1982 im Gefängnis. Er war im Jahre 1985 wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Freiburger gehörte zu den Anführern der zweiten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF), die für die Anschläge im "Deutschen Herbst" des Jahres 1977 verantwortlich war. Er wurde unter anderem wegen der Beteiligung an der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer sowie wegen der Morde an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto verurteilt.

Der Beschluss das Ex-RAF-Mitglied freizulassen, löst vor allem bei Angehörigen der Opfer wütende Reaktionen aus, weil Klar bis heute nicht seine Taten bereut und auch Details zu den Anschlägen nicht preisegeben will. Christian Klar bereut bis heute nicht seine Taten und will auch sein Wissen über Details von den Anschlägen nicht preisgeben.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) äußerte sich auch kritisch. Er sagte den "Ruhr Nachrichten", er würde sich ein Zeichen der Reue von Klar wünschen. "Reue ist aber keine Bedingung für eine vorzeitige Haftentlassung." Er halte es für wichtig, dass die Täter "ihre Schweigekartell durchbrechen". Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) bedauerte in der "Berliner Zeitung" die kritischen Äußerungen von Unionspolitikern zu der Gerichtsentscheidung. "Es steht Politikern nicht gut an, die Entscheidung des Gerichts zu kommentieren."

Nach seiner Freilassung muss der ehemalige RAF-Terrorist Klar nach Expertenansicht "das Leben neu erlernen". "Die Entwöhnung von der Freiheit ist nach einer so langen Haftdauer extrem groß", sagte Sozialarbeiter Hermann Lampe von der Beratungsstelle Chance e.V. der Deutschen Presse-Agentur dpa in Münster. Wie gut ein Entlassener mit seiner wiedererlangten Freiheit klarkomme, sei sehr unterschiedlich. "Einige laufen tagelang wie ferngesteuert durch die Gegend, andere finden sich schneller zurecht." Wichtig sei zunächst, eine Wohnung zu finden und einen Lebensplan zu entwickeln. Anschließend stehe ein "Behördenmarathon" an, um Arbeitslosengeld zu beantragen, ein Konto zu eröffnen oder einen neuen Personalausweis zu besorgen. Und er hat auch schon ein Job-Angebot: Er kann aller Voraussicht nach im kommenden Jahr ein Praktikum beim Theater Berliner Ensemble (BE) machen.