Natürlich ist Wolfgang Tiefensee noch im Amt. Natürlich sind FDP und Bündnisgrüne gestern im Bundestag mit ihrem Antrag auf Entlassung des...

Berlin. Natürlich ist Wolfgang Tiefensee noch im Amt. Natürlich sind FDP und Bündnisgrüne gestern im Bundestag mit ihrem Antrag auf Entlassung des Bundesverkehrsministers gescheitert. Aber die knapp zweieinhalbstündige Prozedur - Aktuelle Stunde, Aussprache, namentliche Abstimmung, Auszählung der Stimmen - hat Tiefensee nicht gefallen. Sie konnte ihm nicht gefallen. Tiefensee musste sich anhören, er sei nur noch im Amt, weil die Ereignisse in Hessen von seinem massiven Versagen abgelenkt hätten.

Tiefensee hat zwar höflich eisern auf der Regierungsbank ausgehalten, die Röte ist ihm aber ziemlich schnell ins Gesicht gestiegen. Weil es eben nicht nur eine "Schauveranstaltung" war, wie die SPD-Fraktionskollegen mehrfach und betont munter erklärten, sondern weil sich offenbarte, wie eng es für diesen Minister im Kabinett Merkel inzwischen geworden ist. Dem gestern sogar Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion bescheinigten, dass er es versäumt habe, Bahn-Chef Mehdorn "Grenzen" aufzuzeigen. Dem sie dringend nahelegten, "die Kommunikation im eigenen Haus zu verbessern". Es klang eisig, als die Nürnberger CSU-Abgeordnete Renate Blank feststellte: "Die Entscheidung über den Minister liegt bei der SPD."

Kern der scharfen Kritik war die für den Fall des Börsengangs beschlossene Bonuszahlung an den Vorstand der Bahn AG, von der Tiefensee erst erfahren haben will, als sie rechtlich nicht mehr rückgängig zu machen war. Wie er zuletzt behauptete, soll das Mitte September der Fall gewesen sein. Der Fraktionschef der Bündnisgrünen, Fritz Kuhn, hielt Tiefensee allerdings gestern vor, im August an einer Abteilungsleiterkonferenz teilgenommen zu haben, in der es unter anderem um die Boni gegangen sei. Entweder habe der Minister also "gelogen", so Kuhn mit schneidender Stimme, oder er sei "unverschämt ahnungslos". Was der CDU offenbar recht sei: "Die sagt sich, ein derart lausiger SPD-Minister ist für die CDU in einem Wahljahr gut!" Ihren Tiefpunkt erreichte die Aussprache, als Oskar Lafontaine im Namen der Linkspartei von "politischen Würstchen" sprach, "die nie zurücktreten, weil sie viel zu feige sind".

Am Ende stimmten 414 Abgeordnete gegen die Aufforderung an Kanzlerin Angela Merkel, den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu entlassen. Zwei Parlamentarier enthielten sich der Stimme, 156 waren dafür. Zwei Stunden später sprach Tiefensee als Sonderbeauftragter für den Aufbau Ost vor dem Plenum. Im Osten, verkündete er, hechele man dem Westen nicht mit hängender Zunge hinterher, im Osten habe man eigene Antworten auf wichtige Fragen. "Wir kommen", so der Minister, "sehr, sehr gut voran." Zu dem Zeitpunkt war Wolfgang Tiefensee, zumindest rein äußerlich, wieder ganz der Alte.