Mit einem gewaltigen finanziellen Kraftakt wollen Bund und Länder für Bildung und Forschung ab 2015 jährlich bis zu 60 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben. Dies ist das zentrale Ergebnis des Bildungsgipfels von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten am Mittwoch in Dresden.

Dresden. Damit sollen die Mittel für Bildung und Forschung auf insgesamt zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufgestockt werden. Derzeit werden für Bildung 6,2 Prozent ausgegeben, für Forschung 2,7. "Wohlstand für alle heißt heute Bildung für alle", betonte Merkel. Dies sei das gemeinsame Ziel. Langzeitarbeitslosigkeit gebe es vor allem dort, wo Schulabschlüsse fehlten.

Wer welchen Anteil übernehmen soll, ist allerdings noch umstritten. Eine Bund-Länder-Strategiegruppe soll nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 Vorschläge zur Finanzierung vorlegen. Einbezogen werden dabei auch die Bildungsausgaben von Wirtschaft und Kommunen. Die Länder erwarten für die Bildung weiterhin einen höheren Anteil des Bundes am Mehrwertsteueraufkommen. Im Abschlussprotokoll der Dresdner Erklärung heißt es dazu: "Der Bund widerspricht dem zum jetzigen Zeitpunkt."

Merkel kündigte an, dass der milliardenschwere Bund-Länder-Hochschulpakt zur Schaffung zusätzlicher Studienplätze und zur Verbesserung der Hochschulforschung über 2012 hinaus bis 2020 verlängert werden soll. Die Regierungschefs von Bund und Ländern schnürten auf dem Bildungsgipfel des weiteren ein umfangreiches Maßnahmenpaket. Dazu gehören unter anderem Sprachkurse für Migrantenkinder und benachteiligte Jugendliche, verbindliche Sprachtests vor der Einschulung, die Halbierung der Abbrecherzahlen in Schule und Lehre durch mehr vorbeugende Hilfen sowie nachträgliche Bildungschancen für Arbeitslose.

Wegen des dramatisch wachsenden Fachkräftemangels vor allem bei Ingenieuren, Naturwissenschaftlern aber auch in anderen akademischen Berufen sollen mehr junge Menschen für ein Studium gewonnen werden. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wies darauf hin, dass es zwischen SPD und Union bei den Studiengebühren einen Dissens gebe. Die SPD lehne diese ab, da sie sozial schwächeren Schichten den Zugang zum Studium erschwerten. Die SPD will zudem auch Gebührenfreiheit im Kindergarten durchsetzen. Wowereit räumte ein: "Wichtige Fragen sind leider noch nicht geklärt."

Nicht einigen konnten sich Bund und Länder auf ein kostenloses Mittagessen für Kinder von Arbeitslosen. Wowereit, der SPD-Länder-Sprecher ist, kritisierte, dass der Bund nicht bereit gewesen sei, die Mittel dafür zu übernehmen. Er zeigte sich generell unzufrieden mit den finanziellen Zusagen des Bundes zum Gesamtpaket. Die Kanzlerin wies darauf hin, dass der Bund bereits schon mit zahlreichen Bildungsprojekten in Vorleistung getreten sei. Das Zehn- Prozent-Ziel bedeute eine weitere erhebliche Belastung.

Zu den großen Vorhalten vor allem von Unions-Ministerpräsidenten gegen den von Merkel initiierten Gipfel sagte Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU): "Die Länder haben nie bestritten, dass Bildung eine gesamtstaatliche Aufgabe ist." Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) sagte, eine der wichtigsten Vereinbarungen sei "die Verpflichtung der Länder, die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren". 550 000 der rund drei Millionen Arbeitslose haben derzeit keinen Schulabschluss - die meisten davon sind Langzeitarbeitslose.

Die SPD-Länder-Sprecherin Doris-Ahnen, die Kultusministerin in Rheinland-Pfalz ist, sagte: "Die Gipfelstürmer haben das Basislager erreicht - auch wenn die großen Fragen offen geblieben sind." Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bezeichnete die Gespräche in Dresden als "großen Fortschritt". Partei- und länderübergreifend sei es gelungen, sich auf konkrete Ziele zu verständigen, sagte Rüttgers. Er hob auch hervor, dass Bund und Länder jetzt ein nationales Stipendienprogramm prüfen wollten.

Dagegen bezeichnete Linksfraktionschef Gregor Gysi das Treffen als "Flop". Es bleibe bei der "Kleinstaaterei von 16 Bildungssystemen". Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach von "viel Lärm um nichts". Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, stellte fest: "Die Bundeskanzlerin hat mit ihrem Projekt Bildungsgipfel Schiffbruch erlitten."