Der frühere Regierungschef schildert seine Lösungen für die Krisen der Welt. Und rauchen durfte er im Theater auch.

Berlin. Die Stimme fest, bisweilen schneidend, die Sätze wie in Stein gemeißelt. Der Kopf leicht geneigt, aber nicht nachdenklich oder gar gelangweilt, eher ungeduldig und ein wenig tadelnd. So kennen die Deutschen den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Und so präsentierte er sich, nun fast 90 Jahre alt, auch am Mittwochabend im Berliner Ensemble.

"Ich bin ein alter Mann ohne Einfluss", behauptete der frühere Regierungschef und heutige Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit". Aber sollte dies so sein, dann hält ihn dies nicht davon ab, trotzdem reichlich Rat zur Lösung der Weltprobleme anzubieten. In seinem neuen Buch "Außer Dienst - Eine Bilanz" tut er dies auf 350 Seiten. Und auch an diesem Abend im voll besetzten Theater am Schiffbauerdamm, wo er das Buch im Gespräch mit dem Fernsehjournalisten Claus Kleber erstmals vorstellte, sinnierte der Staatsmann über die aktuellen Krisen vom Finanzmarkt bis zur Nato-Erweiterung und auch darüber, was aus seiner Sicht getan werden muss.

So mahnte Schmidt, vor 40 Jahren auch einmal Bundesfinanzminister, den Weltwährungsfonds, ein weltweites Kontrollsystem für die Finanzmärkte auszuarbeiten. "Der hat sonst nicht viel zu tun, aber hat viele gute Experten." Denn eines ist für Schmidt klar: Das Wanken der Banken wird für die Regierenden die beherrschende Aufgabe der nächsten Monate sein.

Dabei schlug Schmidt den Bogen zum Börsen-Crash von 1929 und der anschließenden Weltwirtschaftskrise, die der 1918 geborene Hamburger schon bewusst miterlebt hat. Dass die Weimarer Koalition nicht imstande war, die Krise zu lösen, habe auch zum Aufstieg Adolf Hitlers beigetragen. Ob diese Parallele nicht unheimlich sei, fragte Kleber den Altkanzler. "Ich gebe Ihnen recht", sagte Schmidt.

Die Nazizeit und der Zweite Weltkrieg, das Trauma des 20. Jahrhunderts, beschäftigt Schmidt noch immer intensiv. Das ist der entscheidende Unterschied, den er zwischen seiner Politiker-Generation und seinen Nachfolgern ausmacht: die Erfahrung des Krieges und des Horrors von Auschwitz. Seine Generation sei getrieben gewesen von dem Gedanken: "Diese ganze Scheiße darf sich nicht wiederholen", sagte Schmidt.

Erst nach 55 Minuten machte Kleber den passionierten Raucher, der bis dahin die Finger vor der Brust verschränkt hatte, darauf aufmerksam, dass Theaterintendant Claus Peymann seinen Sitzplatz auf der Bühne zur Raucherzone erklärt habe - mit der Begründung, manche Stücke ließen sich sonst gar nicht spielen. "Und das sagen Sie mir erst jetzt?", spielte Schmidt seine Entrüstung. Kleber, der sich von Schmidt bisweilen in Jahreszahlen und Details korrigieren lassen musste, fand nur eine schwache Entschuldigung: "Ich dachte, das wissen Sie." Und im Übrigen dachte er, Schmidt hätte sich an ein Rauchverbot sowieso nicht gehalten.