Sie ist hart im Nehmen und durch und durch preußisch: Loki Schmidt (89), die wegen eines Sturzes im heimischen Badezimmer zurzeit im Hamburger Krankenhaus St. Georg behandelt wird, hatte trotz starker Schmerzen viereinhalb Stunden lang zu Hause gewartet, bis morgens um 8.30 Uhr die Haushaltshilfe kam und einen Krankenwagen rufen konnte.

Dem "Hamburger Abendblatt" sagte Loki Schmidt: "Wie eine kleine Robbe kroch ich Richtung Schlafzimmer. Es tat wirklich sehr weh! Ich wollte mich an meinem Bett hochziehen, schaffte es aber nicht. Schließlich zog ich erschöpft das Kopfkissen und die Bettdecke herunter und campierte bis gegen 8.30 Uhr auf dem Boden. Dann kam meine Helferin. Warum ich nicht den Notruf benutzte? Ich wollte nicht im nächsten Krankenhaus landen, wo die Ärzte mich nicht kennen und erst mit großem Aufwand und Zeitverlust meine medizinischen Daten hätten erfassen müssen. Ich wollte auch nicht, dass mein Mann in Berlin durch einen nächtlichen Alarm, mir sei etwas Schlimmes zugestoßen, aus dem Schlaf gerissen würde." Ihr Ehemann, Altkanzler Helmut Schmidt, war für einige Tage in Berlin.

Ihren Humor hat Loki Schmidt aber keineswegs verloren. "Nein, nein, ich bin nicht auf den Kopf gefallen, wie Sie jetzt natürlich glauben …", sagte sie dem Abendblatt-Reporter.

Gleichwohl äußerte sie sich auch nachdenklich. Ihrem Arzt, Prof. Dr. Christoph Eggers, Chefarzt des Chirurgisch-Traumatologischen Zentrums St. Georg, sagte sie bei der Visite: "Herr Doktor, was Sie auch sagen mögen, eines weiß ich genau: Meine Kerze ist am Abbrennen!"

Ein Trost ist ihr, dass einer der besten Freunde der Schmidts, der Schriftsteller Siegfried Lenz, in der Nähe ist. Der Zufall wollte es, dass Lenz nur drei Zimmer weiter auf dem selben Flur liegt. Lenz erholt sich gerade von einer Wirbelsäulen-Operation. "Die Operation war unvermeidlich, weil die Schmerzen unerträglich waren. Ich hatte gehofft, sie durch das Schreiben an meinem Schelmenroman und eine sitzende Position überwinden zu können vergeblich! Stattdessen habe ich gelernt, dass Schmerz und Angst eine enge Beziehung eingehen können. Vor allem aber habe ich erfahren, dass der menschliche Körper nur eine befristete Zeit der Unanfechtbarkeit hat."

Vier Stunden lang war er vor genau einer Woche von Prof. Christoph Eggers an der Wirbelsäule operiert worden: Eine Verengung des Spinalkanals, die auf die Nervenenden drückte, hatte beseitigt werden müssen fast dieselbe Diagnose hatte Loki Schmidt vor einem Jahr zum selben Arzt und in denselben OP gezwungen. Lenz ist aber längst auf dem Wege der Besserung und arbeitet auch im Krankenhaus an seinem neuen Roman einem Schelmenroman.

Ein Drittel ist erst geschrieben, aber Lenz macht weiter, muss wohl weitermachen: "Wie immer mit Kugelschreiber, vormittags nach dem ersten Kaffee und nachmittags mit dem ‚second wind’, wie die Briten sagen, aber niemals nachts, wie es der Altbundeskanzler schätzt". Kurz vor der Operation hatte Lenz noch Freundin Loki aus Dänemark angerufen. Da ahnten beide nicht, wo sie sich beim nächsten Mal ein Rendezvous mit dem Schicksal treffen würden.