Der Vorstandsvorsitzende des Verlagshauses Gruner+Jahr, Bernd Kundrun, hat heftige Kritik an den Bespitzelungen der Deutschen Telekom geäußert. "Das Haus Gruner+Jahr mit seinen Publikationen ,Capital' und ,Financial Times Deutschland' ist nach heutigem Kenntnisstand Angriffspunkt von Aktionen der Deutschen Telekom gewesen, die ich bisher in unserem Lande nicht für möglich gehalten hätte", sagte Kundrun der Deutschen Presse-Agentur. "Der Vorgang zeigt, dass die Freiheit der Presse auch in unserem Land nach wie vornicht immer Common Sense ist und stets aufs Neue verteidigt werden muss."

Gruner+Jahr hat nach Kundruns Worten keine rechtlichen Schritte eingeleitet, behält sich diese aber vor. "Welche Gesetze in diesem Zusammenhang bis hin zu Straftatbeständen verletzt worden sind, ist heute nicht annähernd abzusehen", sagte Kundrun. "Wir gehen davon aus, dass der Vorgang lückenlos und vorbehaltlos aufgeklärt wird."

Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte dem Abendblatt: "Die Aufklärung der Affäre steht nicht einmal am Anfang. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen haben erst begonnen. Der Fall Siemens zeigt, dass auch die Aktionäre ein großes unternehmerisches Interesse an Aufklärung besitzen. Herr Obermann muss beweisen, dass er das Interesse hat, die Telekom-Bespitzelungsaffäre lückenlos aufzuklären." Die Lidl-Bespitzelungsaffäre habe gezeigt, dass Kunden mit ihrer Macht reagierten. "Aber von Boykottaufrufen halte ich nichts. Das ist die freie Entscheidung des Kunden."

Leutheusser-Schnarrenberger warnte, der Einsatz moderner Technologien führe zu immer stärkeren Möglichkeiten von Überwachung. "Dem Missbrauch von Kunden- und Arbeitnehmerdaten muss ein Riegel vorgeschoben werden. Der Fall Telekom zeigt, wie gefährlich die Vorratsdatenspeicherung ist."

Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Krista Sager, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagte: "Dies zeigt, wie wichtig effektiver Datenschutz gerade auch im Unternehmensbereich ist, da der Missbrauch offenkundig hoch ist. Die Firmen müssen wissen, dass man ihnen auf die Finger schaut."