Harte Vorwürfe an den Parteichef: “Der Lkw aus Mainz hat uns plattgemacht.“

Hamburg/Berlin. Zwischen dem Kurt-Schumacher-Haus, der SPD-Parteizentrale in Hamburg, und der SPD-"Baracke" in Berlin herrscht seit dem Wahlsonntag Eiszeit. Die Hamburger werfen dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck vor, dafür verantwortlich zu sein, dass die SPD in den letzten Tagen vor der Bürgerschaftswahl an Zustimmung bei den Wählern verloren hat. "Die Äußerungen des Parteivorsitzenden haben uns drei Prozentpunkte gekostet", wird SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann zitiert.

Beck hatte ohne Abstimmung mit den Parteifreunden wenige Tage vor der Wahl angeregt, dass sich die hessische Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen könnte. Beck hatte genau dies zuvor stets ausgeschlossen. Die Folge war eine breite Diskussion über das Verhältnis der SPD zur PDS-Nachfolgepartei.

Öffentlich will in der Hamburger SPD noch niemand Front gegen Beck machen. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung hat sich Naumann jedoch geweigert, sich am Montag gemeinsam mit Beck fotografieren zu lassen, wie es nach Wahlen sonst üblich ist. In der Sitzung des SPD-Präsidiums, an der der an Grippe erkrankte Beck nicht teilnahm, soll Naumann dann auch Klartext geredet haben. "Der Lkw aus Mainz hat uns plattgemacht", zitiert "Bild" den Hamburger Spitzenkandidaten. Beck regiert als Ministerpräsident in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt Mainz.

Naumann gründet seine Vermutung über die Verluste am Ende des Wahlkampfs offensichtlich auf Erhebungen des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap. Nach Abendblatt-Informationen hatte das Institut in sogenannten Tagesumfragen unmittelbar vor der Wahl ermittelt, dass die Werte für die SPD sanken und für die CDU stiegen. Die SPD soll auch an die Nichtwähler Stimmen abgegeben haben, was ebenfalls die Vermutung nahelegt, dass der neue Kurs Becks gegenüber den Linken die Ursache für die Verluste ist.

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, Mitglied des eher konservativen "Seeheimer Kreises" der SPD, bezifferte die Hamburger Verluste wegen des neuen Beck-Kurses ebenfalls auf drei Prozentpunkte. Beck habe sich damit kein überragendes Zeugnis ausgestellt. "Das war kein Ruhmesblatt", sagte Kahrs "Spiegel online". Auch außerhalb Hamburgs halten etliche Genossen den Linksschwenk Becks für einen strategischen Fehler. Der niedersächsische SPD-Chef Garrelt Duin sagte, viele Vorstandsmitglieder hätten am vergangenen Montag Becks Kurs "mit der Faust in der Tasche" mitgetragen. "Manche wird vielleicht bewegt haben, dass die Gefahr bestanden hätte, dass sehr schnell eine Personaldiskussion entstanden wäre", sagte Duin "Spiegel online".