Der Altkommunarde über Uschi Obermaier, das Pudding-Attentat, Sex und einen putzsüchtigen Günter Grass.

Hamburg. Rainer Langhans lebt heute von einer kleinen Rente in einer winzigen Wohnung im Münchner Künstlerviertel Schwabing. Die Nachbarn halten ihn für einen Spinner. Oder für Schlimmeres. Jedenfalls gilt das für die, die er seit dreißig Jahren "eisern" grüßt: "Und keiner grüßt zurück." Die Bayern sind eben nicht nur "ein kleines Bergvolk, das irgendetwas mit dem lieben Gott hat", wie der alte Revoluzzer meint, sondern die Bayern haben's auch sehr mit der katholischen Kirche. Und in der sieht man es halt nicht gern, wenn ein Mann sich einen Harem hält und in der Gegend herumposaunt, Sex sei das beste Mittel, mal so richtig aus sich herauszugehen!

Er wirkt wie einer, der nicht erwachsen werden will. Immer noch derselbe Afrolook, immer noch dieselbe Nickelbrille, und dazu immer noch die alte Botschaft: Ein befreites Leben ist nur möglich, wenn der Mensch seine inneren Erfahrungen nicht "privatistisch" versteckt, sondern sie "mit dem Außen" verbindet.

Das war die Theorie. Die Praxis sah vor vierzig Jahren so aus, dass Langhans in der Kommune 1 erst mal die Klotür aushängte. Und dann vor den Augen von Uschi Obermaier mit einer gewissen Mascha schlief. Und mit Amelie. Und danach aus allen Wolken fiel, weil Obermaier auf diese Art von "Außenverbindung" allergisch reagierte.

Vor vierzig Jahren ist Rainer Langhans in Berlin eine große Nummer in der Studentenbewegung gewesen. Einer, der mit Rudi Dutschke und Fritz Teufel befreundet war, der Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin kannte, bevor sie der Bundesrepublik den Krieg erklärten. Jetzt hat er im Münchner Blumenbar Verlag seine Autobiografie vorgelegt. Titel: "Ich bin's", selbstironischer Untertitel: "Die ersten 68 Jahre" (253 Seiten,19,90 Euro).

Das Buch ist unterhaltsam. Weil Langhans viel von der (durchaus intelligenten) Naivität vermitteln kann, mit der er damals durch die Welt gelaufen ist. Etwa als die Kommune 1 daran ging, in Berlin-Moabit ein "Subkulturzentrum" zu eröffnen: "Wir hatten die Fabrik offiziell gemietet, für 800 Mark. Ich war der Hauptmieter und gleichzeitig der einzige offizielle Mieter . . .Wir besaßen auch einen Bus, einen VW-Bus, der auf meinen Namen angemeldet war. Ich war als Einziger noch geschäftsfähig. Auch das Telefon lief auf meinen Namen. Da habe ich hinterher schwer bluten müssen. Ich habe alles nachbezahlen müssen. Wer wie viel telefoniert hat, war unmöglich zu kontrollieren." Freiwillig war man aber nicht umgezogen.

Im April 1967 hatten die Kommunarden ein "Pudding-Attentat" auf Amerikas Vizepräsidenten Hubert Humphrey geplant, der sich zu einem Berlin-Besuch angesagt hatte. (Langhans: "Ein paar von uns sind in den Grunewald gefahren und haben Mehltütenwerfen geübt. Es war überhaupt noch nicht klar, wer was machen würde. Ich habe mich zum Beispiel mit Puddingkochen beschäftigt . . .") Die Sache flog auf und machte weltweit Schlagzeilen: "Elf Verschwörer gefasst!" Dass sich diese Verschwörer, acht Männer und drei Frauen, ausgerechnet in seinem Berliner Atelier breitgemacht hatten, entnahm der bis dahin ahnungslose Schriftsteller Uwe Johnson - er hatte das Atelier dem Bruder von Hans Magnus Enzensberger untervermietet - in Amerika der "New York Times".

Johnson war außer sich. Er rief seinen Freund Günter Grass an und beauftragte ihn, das Atelier zu räumen. Grass räumte. Und putzte! Und meldete Johnson: "Einem deiner schwarzen Lederstühle fehlt ein schwarzer Lederknopf." Ein Lederknopf! Überhaupt begreift man beim Lesen, dass es in der Kommune 1 bei Weitem nicht so zügellos zugegangen ist, wie sich die aufgeregte Öffentlichkeit das vorgestellt hat. Aus Uschi Obermaiers 2007 erschienenen Autobiografie "High Times" weiß man, dass Langhans regelmäßig mit ihr in die Kommune 2 ging: "Die hatten eine schöne Altbauwohnung, wo wir Kerzen im Bad aufstellen und intim sein konnten, ohne jemanden um uns herum zu haben."

Das lässt Langhans lieber weg. Er erzählt, wie die Kommune 1 aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund heraus entstand: "Es war die Erfahrung, dass es kein Eigentum mehr gibt und keine klassischen Beziehungen - und das alles, was man an Verhaltensweisen, Mechanismen und Reflexen draufhat, leblos ist, ein Gefängnis, das wirkliche Leben und Lieben verhindert. Das musste aufgesprengt werden. Es war an ganz simplen Sachen zu sehen: dass jemand am nächsten Morgen mein Hemd anhatte. Mein Hemd!" Langhans beschreibt die Drogenexzesse, den Tag, an dem Benno Ohnesorg starb, und seine Entscheidung, mit Uschi Obermaier nach München zu gehen, "während im Berliner Untergrund der Krieg aufgezogen wurde".

Weil er diesen Krieg nicht mitmachen wollte, galt Rainer Langhans den einstigen Weggefährten fortan als Verräter. "Wenn du dich am Krieg nicht beteiligst, bist du sofort ein Verräter oder musst wirklich weg; du darfst nicht lieben, das hat keinen Platz mehr . . . Und entsprechend sind Leute, die auf arglos und auf Liebe machen, natürlich ein Risiko, und sie müssen ausgegrenzt werden."

Damals habe er daran gedacht, sich umzubringen. "Ich wusste einfach nicht mehr weiter. Ich hatte gesehen, was diese Welt bietet und hielt mich für einen klugen Menschen, der alles durchschaute. Das alles hatte es nicht gebracht."

In München ist er dann Rainer Werner Fassbinder begegnet, der ihn als Regieassistenten anstellte. Zu dem Zeitpunkt beschäftigte sich Langhans schon mit der Lehre des Inders Kirpal Singh. "Als ich ankam mit Spiritualität und Meditation, mit vegetarischer Ernährung, hat das die Frauen sehr interessiert. Fassbinder fand das nicht so toll. Er wollte keinen Nebenguru, als den er mich ansah . . .Einmal saß Fassbinder da, vor einem schönen großen Stück Fleisch, und meinte zu Irm Herrmann, als die sich bereits vegetarisch ernährte: Pass mal auf, Irm. Du wolltest doch immer schon mit mir schlafen. Wenn du ein Stück von dem Fleisch hier isst, mache ich das." In der Fassbinder-Zeit ist die Beziehung zwischen Rainer Langhans und Uschi Obermaier endgültig kaputtgegangen. Langhans gründete dann wenig später seinen "Harem". Eine lockere Lebensgemeinschaft mit fünf Frauen, die bis heute besteht und der Nachbarschaft immer noch Rätsel aufgibt.