HAMBURG/BERLIN. Genau zwei Sätze sagte Altbundeskanzler Helmut Kohl über die Anwürfe von Wolfgang Thierse (SPD): "Herr Thierse hat sich bei mir in aller Form entschuldigt. Ich nehme diese Entschuldigung an." Das sollte ihm, Kohl, als Schlusspunkt einer unappetitlichen Geschichte genügen.

Im politischen Berlin aber schwoll der Sturm der Rücktrittsforderungen gegenüber dem Bundestagsvizepräsidenten weiter an. Neben Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach legte auch der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt Thierse den Rücktritt nahe. Das sei "unausweichlich", sagte Gerhardt dem Abendblatt. "Er hat gar keine andere Wahl. Wenn ein Politiker eine menschlich und politisch verständliche Entscheidung trifft, wie es Vizekanzler Franz Müntefering getan hat, dann gehört das respektiert. Man muss das nicht kommentieren, inbesondere nicht durch einen Vergleich mit anderen."

Thierse hatte Kohls Verhalten während der Erkrankung seiner verstorbenen Frau Hannelore kritisiert und gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" gesagt: "Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal." Finanzminister und SPD-Vize Peer Steinbrück sagte im ZDF, der private Bereich von Politikern müsse respektiert werden. "Mit seinen Äußerungen hat er das verletzt." SPD-Chef Kurt Beck sagte: "Das ist eine Sache, die sicher von Wolfgang Thierse nicht in der Wirkung beabsichtigt war. Er hat sich dafür entschuldigt und damit sollte es gut sein."

Thierse wies im Fernsehsender N24 die Forderungen nach seinem Rücktritt zurück. Er habe "darüber nachgedacht, was für einen Fehler ich begangen habe", sagte er. Da er aber Kohl nicht habe kritisieren wollen und auch keinen Vorwurf erhoben habe, "halte ich eine solche Rücktrittsforderung auch nicht für angemessen".