Schon 5000 Verfassungsbeschwerden gegen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Mehr als 1983 gegen die Volkszählung.

KARLSRUHE. Gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung formiert sich Widerstand. Wie der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung meldete, liegen bereits 5000 schriftliche Vollmachten zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Zwangsspeicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten vor. "Die Vorratsdatenspeicherung ist eine Gefahr für die Demokratie", sagte Werner Hülsmann, Sprecher der Gruppe von Bürgerrechtlern, dem Abendblatt. Anfang April hatte die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung auf Vorlage einer EU-Richtlinie beschlossen. Anfang 2008 soll das Gesetz in Kraft treten. Wie der Arbeitskreis mitteilte, soll dann sofort Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz in Karlsruhe eingelegt werden.

Das geplante Gesetz sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen künftig ein halbes Jahr lang alle Verbindungsdaten ihrer Kunden speichern, also wer wann wie lange mit wem telefoniert hat oder E-Mails verschickt und empfangen hat. Zwar hat die Polizei erst nach einer richterlichen Anordnung Zugriff auf die Daten, doch die Speicherung betrifft jeden Bürger. Politisch ist derzeit zwar vor allem die Online-Durchsuchung umstritten, doch laut Bürgerrechtlern dürfte der politische Konfliktstoff bei der Vorratsdatenspeicherung noch höher sein. "Die Vorratsdatenspeicherung ist falsch verstandenes Sicherheitsdenken: Je mehr wir den Bürger überwachen, desto sicherer ist die Gesellschaft", sagte Hülsmann dem Abendblatt.

Bereits jetzt sei absehbar: Die Online-Durchsuchung wird vermutlich nur mit hohen rechtsstaatlichen Einschränkungen möglich sein, sodass - ähnlich wie beim großen Lauschangriff - ihr massenhafter Einsatz nicht zu erwarten ist. Dagegen betrifft die Vorratsdatenspeicherung jeden Bürger, unabhängig davon, ob gegen ihn ein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat besteht.

Die Ermittler erfahren zwar nichts über den Inhalt der Gespräche. Doch schon 2003 stellten die Karlsruher Verfassungsrichter in einer Entscheidung fest, dass allein die Verbindungsdaten "erhebliche Rückschlüsse auf das Kommunikations- und Bewegungsverhalten zulassen". Gesprächspartner lassen sich durch Gesprächskontakte identifizieren, die Intensität der Kontakte durch die Länge der Telefonate. Alles schwerwiegende Grundrechtseingriffe, die aus Sicht der Richter nur beim Verdacht auf gravierende Straftaten gerechtfertigt sind. Im Beschluss zur Rasterfahndung mahnten die Richter zudem an, dass die Daten Unverdächtiger besonders geschützt sind. Sollte es in Karlsruhe im kommenden Jahr tatsächlich ein Urteil zur Vorratsdatenspeicherung geben, dann fiele dies ungefähr mit dem 25. Jahrestag des Volkszählungsurteils vom 15. Dezember 1983 zusammen. Nie zuvor waren so viele Verfassungsbeschwerden zu einem Thema eingegangen, damals waren es 1310.

Unterdessen hat die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, weil die Datenschützer der Bundesländer angeblich nicht unabhängig genug sind. In allen Bundesländern werden die Stellen, die für den Datenschutz privater Einrichtungen zuständig sind, staatlich beaufsichtigt, was der EU-Datenschutzrichtlinie widerspreche.