Hamburg. Dass moderne Handys mehr können, als die meisten ihrer Benutzer ahnen, ist nichts Neues. Doch dass sie unter Umständen dazu dienen, Gespräche zu belauschen, die in der näheren Umgebung geführt werden, ist den wenigsten bewusst. Das funktioniert sogar dann, wenn das Gerät scheinbar ausgeschaltet ist.

Für den US-Mafioso John Ardito kommt diese Erkenntnis auf jeden Fall zu spät. Er hatte bei Unterhaltungen mit seinem Anwalt stets sein Handy bei sich getragen. So konnte das FBI bequem Beweismaterial über einen der mächtigsten Paten der New Yorker Genovese-Familie sammeln und den Mann schließlich verhaften. Offenbar wurde der Lauschangriff durch eine Stellungnahme des Richters Lewis Kaplan, in der dieser feststellte, der Einsatz der "roving bug" ("wandernde Wanze") genannten Technik sei rechtens gewesen.

Seitdem beteuern Hersteller und Netzbetreiber, dass dies so hierzulande nicht denkbar sei - dagegen berichtet der "Spiegel" unter Berufung auf deutsche Ermittler: "In Wahrheit laufen in Deutschland derzeit mehre Ermittlungsverfahren, in denen das Handy als Wanze eingesetzt wird."

Um mithören zu können, muss auf das betreffende Gerät nur eine spezielle Software aufgespielt werden, die nach Versenden eines Signals unbemerkt die Freisprechfunktion aktiviert. Obwohl das Display ohne Anzeige bleibt, können in der Nähe geführte Unterhaltungen von den Fahndern mitgehört werden. "Wenn man Zugriff auf ein Gerät hat, dann ist das technisch gar kein Problem", erklärt Mobilfunkexperte Bernhard Jodeleit von der Zeitschrift "connect". Bei einer entsprechenden Veränderung der Gerätesoftware ("Firmware") könne dem Nutzer ohne Weiteres vorgegaukelt werden, das Gerät sei ausgeschaltet, während in Wirklichkeit Lauschfunktionen aktiv bleiben.

Lausch-Software ist selbst für Privatpersonen frei zugänglich. Die in Bangkok ansässige Firma Vervata vertreibt eine solche Lösung unter dem Namen "FlexiSpy" im Internet. Ab 100 Euro können beispielsweise misstrauische Ehemänner in Erfahrung bringen, mit wem und über was die Gattin in seiner Abwesenheit so plaudert.

In fehlerhaftem Deutsch werden potenzielle Kunden darüber informiert, dass das Handy dazu nur einen Zugang zum Internet benötigt. "Unbemerkt das Handy einschalten und in seiner Umgebung mithören. Dies kann momentan nur, wenn das Handy nicht in Gebrauch ist", heißt es dort weiter. Daran werde aber ebenso gearbeitet wie an einer Lösung für PocketPC und Blackberry-Geräte.

Denn die Spionage-Software funktioniert derzeit nur im Zusammenspiel mit Smartphones, auf denen das Mobilfunk-Betriebssystem Symbian installiert ist. Nach den Worten von Jodeleit ist der Verzicht auf moderne Multimedia-Handys so ziemlich die einzige Möglichkeit, sich vor Mithörern zu schützen.