Ansichtssache

Wenn die CSU-Landrätin Gabriele "Zerstoiberin" Pauli für das Magazin "Park Avenue" als Fotomodell posiert - Überschrift: "Sankt Pauli" -, rauscht es prompt im Blätterwald. Warum eigentlich? Fast noch aufregender ist doch, dass Ministerpräsident Edmund Stoiber gestern vor dem Ho-Chi-Minh-Mausoleum in Hanoi einen Kranz niederlegte, als späte Ehre für Vietnams kommunistischen Revolutionsführer. Vielleicht hätte Frau Pauli in einem (nassen) Ho-Chi-Minh-T-Shirt posieren sollen. Dann hätte es jedenfalls richtig gekracht.

Jetzt ist sie ohnehin schon zurückgerudert. Die Überschrift "verbunden mit sehr gezielten Fotoausschnitten und einigen Textpassagen" erweckten Assoziationen, die sie nicht hinnehmen könne, beschwert sie sich in einem gestern veröffentlichten Brief an "Park Avenue". Das ist jetzt schade. Mehrere Abendblatt-Kolleginnen, darunter ich, wurden gebeten, sich die Fotostrecke mal anzusehen. Quasi als Aufrege-Detektor. "Aufregend"? "Erotisch"? "Domina-Fotos"? Gähn.

Keine Angst, Frau Pauli: Sie sehen aus wie eine Landrätin, die im Wohnzimmer ein paar nette Versandhausmodelle anprobiert.

Dabei wollte sie doch nur der guten alten CSU - der letzten Partei, die sich an Gegenkandidaturen erst noch gewöhnen muss - mal zeigen, dass "Politiker nicht mausgrau sein müssen". Gut gemeint, aber warum wollen Politiker jetzt aussehen wie Katja Ebstein?

"Mei, ich fahr auf so was nicht unbedingt ab", gab der bayerische SPD-Chef Ludwig Stiegler zu Protokoll. "Aber ich gönne ihr das. Wenn sie sozusagen ein spätes Erlebnis hat (???), als schöne Frau in einem Magazin abgelichtet zu werden - ich gönne ihr das von Herzen."

Späte Erlebnisse gönnen sich ja viele. Rudolf Scharping und Gräfin Pilati zum Beispiel. Österreichs Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser posierte mit seiner Ehefrau für das italienische Lifestyle-Blatt "L'Uomo-Vogue". Heide Simonis versuchte es mit Extremtanzen. Gerhard Schröder modelte in einem Kaschmir-Mantel für damals 4000 Mark ("Brioni-Kanzler"). Man zeigt halt gerne den Dandy.

Prominenz ist eben alles im Medienzeitalter. Und es gibt noch viele unentdeckte Möglichkeiten. Zum Beispiel Ulla Schmidt als Gaststar in "Die Bräuteschule". Oder eine Fotostrecke "Wolfgang Thierse zeigt Schottenröcke" im "Stern". Natürlich nur, wenn politisch gerade nichts Wichtigeres zu tun ist.