Hamburg. Der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hat vor einem immer stärker werdenden Rechtsextremismus in Deutschland gewarnt. "Die Nazis haben ihre Zurückhaltung beendet und die Springerstiefel gegen den Anzug getauscht. Schulen und Vereine werden von der NPD unterwandert", sagte Heye bei einer Diskussion über Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland in der Katholischen Akademie. "Wir dürfen das nicht hinnehmen."

Ausländerfeindlichkeit sei nicht länger ein Problem von Randgruppen, sondern habe sich in die Mitte der Gesellschaft verschoben. Ressentiments seien tief verwurzelt. "Fremdenfreundlichkeit ist oft nur rhetorisch gemeint und rituell", sagte Heye. Vor allem Ostdeutschland habe ein Problem mit Ausländerfeindlichkeit.

Heye hatte kurz vor der Fußball-WM 2006 mit seiner Aussage, in Brandenburg gebe es Regionen, die Ausländer zu ihrer eigenen Sicherheit besser meiden sollten, für erhebliche Diskussionen und Kritik gesorgt. Heye, seit einem Jahr Chefredakteur der SPD-Parteizeitung "Vorwärts", zum Abendblatt: "Ich bleibe dabei." Gleichzeitig relativierte der 66-Jährige: "Es gibt auch Orte in Westdeutschland, wo man nicht sicher ist." Es gebe nicht nur ein Ost-West-, sondern auch ein Nord-Süd-Gefälle. "Die Ausländerfeindlichkeit ist in Schleswig-Holstein höher als in Hessen."

Ursache für die Fremdenfeindlichkeit in den ostdeutschen Bundesländern sei nicht die hohe Arbeitslosigkeit, sondern die mangelnde Aufarbeitung des Faschismus in der DDR. Viele Bürger würden zudem den Ausländeranteil in ihrer Region völlig falsch einschätzen. "In den ostdeutschen Bundesländern gibt es Fremdenfeindlichkeit ohne Fremde", so Heye. Der Ausländeranteil in Brandenburg betrage nur 2,6 Prozent. "Viele Brandenburger aber glauben, er liege bei 20 Prozent."

Nach Angaben der Landeskriminalämter wurden 2006 mehr als 12 000 politisch rechtsmotivierte Straftaten begangen, davon über 700 Gewalttaten. "Seit der Wende gab es in Deutschland 131 Todesopfer durch rechtsradikale Gewalt. Was brauchen wir denn noch, um etwas zu tun", so Heye.

Heye, der auch Gründungsmitglied und Vorsitzender des Vereins "Gesicht zeigen!" ist, warnte vor der rechtsextremen NPD. 2006 habe sich die Zahl der Mitglieder um 1000 auf 7000 erhöht. Die Partei habe 50 000 bis 60 000 Sympathisanten und rund sechs Millionen Deutsche, die sich mit dem Gedankengut identifizierten. "Ich bin nicht dagegen, dass wir eine Verbotsdebatte führen, warne aber vor dem großen öffentlichen Interesse."

Um Rechtsextremismus wirksam bekämpfen zu können, müsse man das Problem ins "Bewusstsein heben. Wir müssen in die Schulen gehen und aufklären." Das deutsche Schulsystem sei den gesellschaftlichen Veränderungen nicht gewachsen. 10 bis 17 Prozent eines Jahrgangs würden die Schule ohne Abschluss verlassen. "Wir müssen diesen Menschen die Zukunftsangst nehmen." Je mehr gesellschaftliche Verlierer es gebe, desto größer sei die Gefahr, dass sich diese Menschen den Rechtsextremen anschließen.