Politiker, Angehörige der RAF-Opfer und Geistliche loben die Stärke des Rechtsstaates. Eine öffentliche Distanzierung von Gewalt würde allerdings Misstrauen abbauen.

Stuttgart. Die bevorstehende Entlassung der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt aus der Haft hat sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Betont wurde allerdings immer wieder die Rechtsstaatlichkeit dieser Entscheidung.

Der Rechtsstaat habe sich mit der Freilassung Mohnhaupts bewährt, sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil forderte Mohnhaupt auf, "ein öffentliches Zeugnis der Reue" abzugeben.

Auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte eine Entschuldigung bei den Familien der Opfer. Notwendig sei eine klare Distanzierung von den Taten und eine Absage an Gewalt. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte: "Da es kein Sonderstrafrecht für Terroristen gibt, war mit der Freilassung zu rechnen." Das müsse man akzeptieren. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) äußerte ein deutliches Unbehagen, dass "eine Schwerverbrecherin auf freien Fuß kommt, die ihre Taten nie bereut hat und in den Jahren der Haft nichts dazu beigetragen hat, die Straftaten vollständig aufzuklären und ihr Wissen über Mittäter preiszugeben".

Die Grünen-Politiker Jerzy Montag und Wolfgang Wieland dagegen begrüßten die Entscheidung des Gerichts. "Jeder Strafgefangenen, auch einer Mörderin, steht nach Verbüßung ihrer Strafe die Chance auf ein Leben in Freiheit zu", sagte Montag. Auch die FDP-Rechtspolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte die Entscheidung richtig. "Nach 24 Jahren kann Frau Mohnhaupt ohne Gefahr für die Allgemeinheit entlassen werden", sagte die frühere Bundesjustizministerin.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, sprach von einem ganz normalen und richtigen Vorgang. "Die Haltung des Vergebens ist wichtig für einen Rechtsstaat." Die Innenexpertin der Fraktion, Ulla Jelpke, forderte auch die Freilassung der noch einsitzenden ehemaligen RAF-Mitglieder Christian Klar, Eva-Sybille Haule und Birgit Hogefeld.

Bosbach und Wiefelspütz hoben die Unterschiede zum Fall des Mohnhaupt-Komplizen Christian Klar hervor, über dessen Gnadengesuch Bundespräsident Horst Köhler zu befinden hat. Beide betonten, dass die Entscheidung des Bundespräsidenten zu akzeptieren sei. Bosbach hofft allerdings, dass dabei nicht nur die Länge der Haft und die Frage seiner möglichen Gefährlichkeit eine Rolle spielt, sondern auch, ob Klar "seine Taten glaubhaft bereut und sich vorbehaltlos distanziert".

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann begrüßte die Entscheidung des Stuttgarter Oberlandesgerichts. "Es ist ein Zeichen der Freiheit und Stärke genau des Staates, den die Terroristen bekämpfen wollten", sagte Käßmann gestern. Niemand könne objektiv beurteilen, wann es "ein Genug der Strafe" gebe. Dies sei für die Hinterbliebenen der Opfer sicherlich auch anders als für Unbeteiligte.

Die Tochter des RAF-Opfers Georg Wurster, der beim Anschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977 ums Leben kam, zeigte sich von Mohnhaupts Entlassung nicht überrascht. "Man konnte nichts dagegen machen, die deutsche Rechtsprechung ist eben so", sagte Sabine Reichel gestern. Für den Ex-Terroristen Christian Klar forderte Reichel "wenigstens die Mindeststrafe" von 26 Jahren. Diese ist erst in zwei Jahren erreicht.

"Es ärgert mich nicht, aber es ist einfach nicht gerecht", sagte Reichel. Mohnhaupt und Klar hätten nicht nur einmal und versehentlich getötet. "Sie haben es über Jahre gewollt getan und das Verbrechen gesteuert."