Fremdenhaß: Entsetzen in Berlin. Abgeordneter erleidet bei Angriff Gehirnerschütterung. Verfassungsschutz warnt: Immer mehr Rechtsextreme.

Berlin. Knapp drei Wochen vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland hat ein offenbar fremdenfeindlicher Angriff auf einen Berliner PDS-Politiker für Entsetzen gesorgt. Der türkischstämmige Abgeordnete Giyasettin Sayan (56) wurde im Stadtteil Lichtenberg von zwei Unbekannten mit einer Flasche geschlagen. Sayan liegt mit einer Gehirnerschütterung und Prellungen im Krankenhaus. Die Männer sollen "Scheiß-Türke, wir kriegen dich!" gerufen haben. Erst Mitte April war in Potsdam ein aus Äthiopien stammender Deutscher ins Koma geschlagen worden.

Der brutale Überfall und der Verfassungsschutzbericht, den Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) heute vorstellen wird, haben in Berlin große Besorgnis ausgelöst. Laut Verfassungsschutz ist die Zahl der organisierten Neonazis im vergangenen Jahr erheblich gestiegen: von 3800 im Jahr 2004 auf jetzt 4100. Auch die Zahl gewaltbereiter Personen mit rechtsextremistischer Gesinnung erhöhte sich von 10 000 auf 10 400.

Unter dem Eindruck der neuen Ereignisse erhält auch der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye immer mehr Zuspruch. Er hatte dunkelhäutigen WM-Fans geraten, bestimmte Regionen in Brandenburg zu meiden, weil diese lebensgefährlich seien. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sagte dazu der "Bild am Sonntag": "Es kommt zu Vorfällen, bei denen die Polizei nicht schnell genug handelt." Der CDU-Spitzenkandidat in Berlin, Friedbert Pflüger, schrieb an Sayan ins Krankenhaus: "Ausländerfeindlichkeit, Haß auf Migranten, Gewalt, Kriminalität und Extremismus müssen mit einer Politik der ,Null Toleranz' beantwortet werden." Der Innenminister von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner (SPD), kündigte an, die Polizeipräsenz auf den Straßen zu erhöhen.

Die Regierung befürchtet jetzt auch bei der WM Aufmärsche von Rechtsextremen. Bereits jetzt seien NPD-Kundgebungen in Frankfurt am Main und Gelsenkirchen angekündigt, warnte der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg. Die Polizei werde die Kundgebungen nicht in ausreichender Zahl begleiten können. Nach einem "Spiegel"-Bericht rufen Neonazis im Internet auch zu einem Aufmarsch zum Spiel Iran gegen Angola am 21. Juni in Leipzig auf. Sie wollten dort ihre Sympathie für den iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad demonstrieren, der den Holocaust leugnet.