Dresdner Bank: Das Geldinstitut ließ von zehn Historikern die unheilvolle Verstrickung mit dem NS-Regime aufarbeiten. Die vierbändige Forschungsarbeit zeichnet den Weg einer Bank mit jüdischen Managern und Kunden hin zum Komplizen des Nazi-Regimes und seiner SS-Schergen.

Hamburg. Geschichte ist auch Wirtschaftsgeschichte. Banken spielen dabei eine zentrale Rolle. "Sie tragen deshalb eine besondere Verantwortung", bekennt Herbert Walter, der Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank, im Gespräch mit dem "Hamburger Abendblatt". Das Israelitische Krankenhaus am Orchideensteig 14 geht auf eine Spende des Bankiers Salomon Heine aus dem Jahr 1839 zurück.

Jüdische Bankiers spielten eine zentrale Rolle in der deutschen Volkswirtschaft. Bekannt sind die Rothschilds und Bismarcks Finanzberater Gerson Bleichröder. Eugen Gutmann war Mitbegründer der Dresdner Bank und leitete das Geldhaus zwischen 1872 und 1920. Weshalb die einstige "jüdische" Dresdner Bank später zur Hausbank der SS wurde, wie tief sie sich in die Verbrechen des Nazi-Regimes verstrickte, dies zeigt die dieser Tage veröffentlichte Studie: "Die Dresdner Bank im Dritten Reich".

Das vierbändige Werk ist wegweisend. Zehn Historiker hatten über sieben Jahre lang uneingeschränkten Zugang zum Dokumentenbestand der Bank. Die Bank finanzierte die Erforschung der eigenen Geschichte mit einem Millionenbetrag. Das Verantwortungsbewußtsein des Geldinstituts entwickelte sich erst im Laufe der Nachkriegsjahre und unter äußerem Druck.

Nach ihrer Wiedergründung im Jahre 1957 agierte die Dresdner Bank im deutschen Nachkriegsmainstream: Geld verdienen und die eigene Verantwortung verdrängen. Noch 1992 stellte sich das Haus selbst einen Persilschein aus: Es habe "unter dem Druck der (NS-)Zeitverhältnisse den geringen Spielraum genutzt, um weiterhin kaufmännisch korrekt und menschlich anständig zu handeln". In einer Festschrift zu ihrem 125. Jubiläum (1997) wurde diese Aussage wiederholt. Doch da mochte sich die Nachkriegsgeneration nicht mit den überkommenen Verdrängungsformeln abspeisen lassen.

Es war bekannt, daß die Dresdner Bank SS-Chef Heinrich Himmler nahestand. Während des Weltkriegs pflegte man in Wirtschaftskreisen das Bonmot: "Hinter dem ersten deutschen Tank kommt Karl Rasche von der Dresdner Bank." Journalisten wollten wissen, wie tief sich das Geldhaus in die NS-Verbrechen verstrickt hatte.

Die Kritik bewirkte ein Umdenken bei der Führung der Bank. Man hatte von der Flucht aus der Verantwortung genug und ging endlich in die Offensive. So erteilte der Konzernvorstand dem Hannah-Arendt-Institut in Dresden den Auftrag, die Vergangenheit des Geldhauses vorbehaltlos zu untersuchen.

Die Ergebnisse sind erschütternd. Die Dresdner Bank, so der Historiker Klaus-Dietmar Henke, setzte sich über "einst geheiligte professionelle und moralische Bankenstandards hinweg": Sie pflegte "Kaltschnäuzigkeit im Umgang mit jüdischen Geschäftspartnern und Mitarbeitern". Selbst Polizei und Gestapo wurden eingeschaltet. "Die Dresdner Bank (entwickelte) vertrauensvolle und bis zum Schluß stabile Geschäftsbeziehungen mit der Sklavenhalterwirtschaft der SS." Die "professionelle Enthemmung" habe das Geldhaus zum "führenden Finanzdienstleister der obersten Besatzungs- und Ausbeutungsorgane im unterjochten Polen" gemacht. Und zu einer "in Holland und im Generalgouvernement (den annektierten Gebieten Polens) gezielt angebahnten Komplizenschaft mit den Exekutoren des Judenmords" geführt. Die Bank habe "schwere historische Schuld auf sich geladen".

Nicht zuletzt habe die Breslauer Hoch- und Tiefbau AG, an der die Dresdner Bank mit 26 Prozent beteiligt war und deren Aufsichtsratschef das Kreditinstitut seit 1910 stellte, 1942 und 1943 "die beiden Zwillings-Gaskammern in Auschwitz-Birkenau errichtet". Die Forschungsarbeit zeichnet den Weg von der Bank mit einer Reihe jüdischer Manager und Kunden zum Komplizen des Nazi-Regimes und seiner SS-Schergen auf.

Auf Grund der Weltwirtschaftskrise ging die Dresdner Bank 1931 zu 91 Prozent in Staatsbesitz über. Dies führte nach der Machtübernahme der Nazis zwei Jahre später zu einer unheiligen Allianz zwischen dem NS-Regime und dem Geldhaus. Um die neuen braunen Herren gewogen zu stimmen, nahm der damalige Vorstandschef Carl Goetz, der sich vorbehaltlos mit der Bank und ihrem finanziellen Erfolg identifizierte, zwei ausgewiesene Nazis in den Vorstand auf: Karl Rasche und Emil Meyer.

Gleichzeitig wurden jüdische Angestellte entlassen. Lediglich Juden, die im Ersten Weltkrieg als Frontsoldaten gedient hatten, durften zunächst bleiben. In der Folge der Nürnberger Rassengesetze von 1935 wurden selbst diese Angestellten vor die Tür gesetzt. Die Pensionen der jüdischen Mitarbeiter wurden im Rahmen einer "offen judenfeindlichen Personalpolitik" zunehmend drastischer gekürzt.

Nachdem die Dresdner Bank 1937 reprivatisiert wurde, nutzte sie die neuen Spielräume keineswegs, um sich vom Regime abzusetzen. Im Gegenteil, die Geschäftsbeziehungen wurden vertieft und die anti-jüdischen Maßnahmen verschärft.

Gleichzeitig profitierte die Bank von der Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Jüdische Privatbanken und Unternehmen wurden auf eigene Rechnung erworben. Dies geschah, indem man die Eigentümer erpreßte. So wurden die israelitischen Besitzer des Dresdner Bankhauses Arnhold genötigt, auf 97 Prozent des Kaufpreises zu verzichten. Das war damals in Deutschland kein Einzelfall.

"Die gezielte Ausnutzung der Notlage ihrer jüdischen Geschäftspartner und Mitarbeiter, das Zusammenspiel mit Staats-, Partei- und Polizeistellen gehörten zum geschäftspolitischen Repertoire" der Bank, heißt es in der Untersuchung. Nach der Annexion Österreichs und der Tschechoslowakei 1938/39 nutzte die Dresdner Bank die Gelegenheit zu "größeren Vermögenstransaktionen zumeist aus jüdischem Besitz".

Es sollte noch schlimmer kommen. Die Bank machte mit der SS Geschäfte, als diese die Juden in polnische Gettos deportierte und zur Arbeit zwang. Die Bank gewährte Kredite für den Bau von KZs. Ebenso wie andere Banken verdiente die Dresdner indirekt sogar am Judenmord. Indem die Erträge aus den Habseligkeiten der Opfer von der SS bei den Geldhäusern angelegt wurden.

Die guten Geschäfte kamen nicht von ungefähr. Bis 1945 spendete die Dresdner Bank mehr als 400 000 Reichsmark an den "Freundeskreis Reichsführer SS Heinrich Himmler". Das persönliche Konto des SS-Chefs wurde von der Bank ebenso geführt wie Pflichtsparkonten der SS-Leibstandarte Adolf Hitler. Die Kooperation der Bank mit der SS beruhte, so die Wissenschaftler, auf ihrer "freien Entscheidung. Irgendwelche Zwangslagen oder Pressionen" waren nicht gegeben. Fazit des Historikers Johannes Bähr: "Gerade bei ihren verwerflichsten Geschäften wäre es für die Dresdner Bank zweifellos möglich gewesen, anders zu handeln."

Der Untergang des Dritten Reiches markierte auch für die Dresdner Bank das vorläufige Ende. Das Geldhaus hatte sich ebenso wie andere Unternehmen und Individuen zum Komplizen eines verbrecherischen Regimes gemacht und dadurch Schuld auf sich geladen.

Die heutige Führung der Dresdner Bank kann die Schuld von damals nicht ungeschehen machen. Doch durch die Bereitschaft zur ehrlichen Aufarbeitung der Vergangenheit beweist das Institut Verantwortungsgefühl. Und, die Bank beschränkt sich nicht auf die Vergangenheit. Durch die Unterstützung des jährlichen Victor-Klemperer-Jugendwettbewerbs fördert sie seit Jahren aktiv Toleranz und demokratisches Verantwortungsbewußtsein unter Jugendlichen.


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Rafael Seligmann ist Jahrgang 1947. Er hat 1985 die "Jüdische Zeitung" gegründet, schrieb mehrere Romane (Der Musterjude) und arbeitet als freier Journalist.