Kommentar

Man muß sich in diesen Tagen fragen, wie die Sozialdemokraten einen derartigen Spagat eigentlich aushalten. Da entzieht die Bundestagsfraktion ihrem Kanzler das Vertrauen und wenige Stunden später erscheint das Wahlmanifest der SPD, in dem festgeschrieben steht, daß Gerhard Schröder genau der Richtige sei, um sozialen Fortschritt in diesem Land zu ermöglichen.

Kein zweiter hat diese Diskrepanz deutlicher gemacht als Parteichef Franz Müntefering, der schon in seiner Bundestagsrede am Freitag Schröder genau das Vertrauen aussprach, um dessen Entzug der gebeten hatte. "Münte" hat dabei nichts anderes getan als seinen Job. Er muß die Partei und die Fraktion zusammenhalten, und seine Vertrauensadresse an den Kanzler ist ein in wohlgesetzte Worte gefaßter Aufschrei der vom Kanzler malträtierten Partei. Einer Partei, die nicht wollte, was Schröder ihr antat.

Ob Müntefering dem Kanzler mit seinen offenen Worten allerdings gedient hat, bleibt abzuwarten. Er mag es gern als vorgezogene Wahlkampfaussage interpretieren. Doch dem muß weder der Bundespräsident noch das Verfassungsgericht folgen.