Rupert Neudeck mit Dönhoff-Preis geehrt

Hamburg. Es ist ihm anzumerken, dass ihm Szenen wie diese eher fremd sind. Rupert Neudeck ist kein Mann, der gern im Rampenlicht steht. Seine Welt ist die Welt des Krieges, der Not, der menschlichen Tragödien. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist er von Somalia bis Eritrea, von Angola bis Zaire, von Afghanistan bis Irak im unermüdlichen Einsatz für Menschen. Gestern wurde er dafür geehrt.

Und steht nun auf der Bühne im Thalia-Theater - ein schmächtiger hagerer Mann, der Dankesworte finden soll für den "Marion Dönhoff Preis für internationale Verständigung und Versöhnung". Hildegard Hamm-Brücher, die einstige Grande Dame der FDP, hat ihm soeben die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung überreicht.

Neudeck wäre nicht Neudeck, würde er diese Gelegenheit nicht dazu benutzen, seine theologisch geschulte Sprachgewalt für seine Ideale einzusetzen. So erinnert der langjährige Chef des Komitees Cap Anamur/Deutsche Notärzte e. V. das Auditorium erst einmal daran, dass zur selben Zeit, in der man hier im geheizten Theater sitze, die Menschen in Tschetschenien in Höhlen, Katakomben und Ruinen lebten, "ohne Licht und Wasser, bedroht von der nächsten Gewalt- und Vergewaltigungswelle". Dort am Kaukasus, so schleudert der Mann mit dem silbernen Bart seinen Zuhörern entgegen, habe Europa seine Ehre abgegeben. Putin könne seine Armee nicht mehr kontrollieren, und alle tanzten um das Goldene Kalb der Realpolitik, auch der George W. Bush mit dem Gerhard Schröder. Für solche klaren Worte ist Neudeck der Beifall genauso gewiss wie für seine Kritik an der übermächtigen Waffenproduktion in der Welt oder an den Sonntagsreden der Politiker. "Wir brauchen eine starke Koalition der Menschenrechte und der Gerechtigkeit", fordert er und dankt den vielen Menschen in Deutschland, die ihm 1979 bei der Rettung von mehr als 10 000 vietnamesischen Bootsflüchtlingen geholfen haben. Und auch seine Arbeit danach immer wieder mit vielen Millionen unterstützten.

Das humanitäre Engagement Neudecks hatte zuvor Hildegard Hamm-Brücher in einer bewegenden Rede gewürdigt. Sie erinnerte an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, jener biblischen Parabel, in der einer selbstlos humanitäre Hilfe leistet und Verantwortung da übernimmt, wo andere achtlos vorübergehen. Auf wen träfe dieses Gleichnis besser zu als auf Rupert Neudeck, lobt die streitbare Liberale, die 2002 aus Protest gegen Westerwelles Kurs in der Möllemann-Affäre ihr FDP-Parteibuch zurückgegeben hatte.

Sie selbst, so Hildegard Hamm-Brücher, habe einmal als Staatsministerin im Auswärtigen Amt die Hartnäckigkeit Neudecks erfahren, der nicht nur barmherzig, sondern auch sehr kämpferisch sein konnte, wenn es um die Durchsetzung seiner humanitären Ziele ging. Auch sie habe damals, als die Rettungsaktion der "Cap Anamur" begann, zu den "achtlos Vorübergehenden" gehört.

Der "Marion Dönhoff Förderpreis" (10 000 Euro) ging an den "Heim-statt Tschernobyl e.V., der Flüchtlinge aus den strahlengeschädigten Gebieten der Ukraine unterstützt.