FDP und Grüne halten die Vorschläge für Wahlkampfgetöse und für unfinanzierbar. Die Parteispitze entscheidet morgen.

Berlin. Die SPD hat mit den Steuerplänen ihres Wahlprogramms für Wirbel gesorgt. Die Sozialdemokraten wollen mit einem Steuerbonus von 300 Euro pro Jahr Millionen Bundesbürgern den Verzicht auf eine Steuererklärung schmackhaft machen. Das Geld sollen alle Steuerzahler bekommen, die nur ein Arbeitseinkommen beziehen. Für Verheiratete soll der Bonus 600 Euro betragen. Außerdem soll eine Reichensteuer eingeführt und der Eingangssteuersatz gesenkt werden. Gestern beriet die SPD-Spitze mit dem Parteivorsitzenden Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier über das Wahlprogramm. Vorstand und Parteirat sollen die Wahlaussagen am Sonnabend billigen. Die Vorschläge stießen weitgehend auf Ablehnung.

Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sieht in den Steuerplänen einen Stolperstein für eine mögliche Ampelkoalition. Auf der Basis der SPD-Forderungen sei ein Regierungsbündnis nicht möglich, sagte Solms im Saarländischen Rundfunk. "Ich halte das für ein populistisches Instrument vor den Wahlen, welches auf Dauer nicht tragen wird", urteilte der FDP-Politiker. Auch der zweite mögliche Koalitionspartner reagierte irritiert: "Das ist purer Wahlkampf. Von den Vorschlägen halte ich sehr wenig", sagte die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel dem Hamburger Abendblatt. Sie zweifelt an der Umsetzbarkeit der Ideen: "Ich fürchte, dass das Steueraufkommen dieses Jahr so einbrechen wird, dass wir zusätzliche Rückzahlungen wie den 300-Euro-Bonus oder eine Absenkung des Eingangssteuersatzes gar nicht finanzieren können", sagte sie. Zudem stellten die Vorschläge einen Kurswechsel in der Politik der Sozialdemokraten dar, die sich bisher wie die Grünen stets für eine Senkung der Sozialabgaben statt der Steuern ausgesprochen hatten. Selbst in der Linkspartei kamen die Steuerpläne als "haltlose Wahlversprechen" an. Linken-Chef Oskar Lafontaine sagte dem "Tagesspiegel", die SPD versuche vor der Bundestagswahl, links zu blinken, um dann rechts abzubiegen.

Nach Schätzung der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) bekommen bisher fünf Millionen Steuerzahler von den Finanzämtern weniger als 300 Euro zurück und kommen damit für die Prämie infrage. "In diesen Fällen ist es natürlich viel aufwendiger, die Steuererklärungen zu bearbeiten, als pauschal 300 Euro beziehungsweise 600 Euro bei Verheirateten zu überweisen", sagte DSTG-Chef Dieter Ondracek. Dass es so zu einer Entlastung der Finanzämter käme, bezweifelt er. Unter anderem könnten viele Arbeitnehmer, die bisher keine Fahrtkosten, Werbungskosten oder andere Sonderausgaben abzusetzen hatten, Anträge auf den Bonus stellen.

Auch beim Bund der Steuerzahler stoßen die Vorschläge auf Kritik. "Es ist ein unausgegorener Vorschlag, den wir ablehnen. Das ist populistisches Wahlkampfgetöse", sagte Bundesgeschäftsführer Reiner Holznagel dem Abendblatt. "Wir wissen überhaupt nicht, wen dieser 300-Euro-Bonus betrifft. Es klingt zwar einfach, dass er nur für Menschen gelten soll, die ausschließlich Arbeitseinkommen beziehen. Doch eine Betriebsrente gilt als Arbeitseinkommen, eine normale Altersrente jedoch nicht." Holznagel bezeichnete es als "Hohn, diesen Bonus als Beitrag zur Steuervereinfachung zu verkaufen".