Stärkt das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Unterhaltsrecht Kinder und Alleinerziehende - oder schwächt es sie? Nach der richterlichen...

Hamburg/Berlin. Stärkt das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Unterhaltsrecht Kinder und Alleinerziehende - oder schwächt es sie? Nach der richterlichen Entscheidung, dass Alleinerziehende nach einer Scheidung künftig deutlich schneller wieder einen Vollzeitjob annehmen müssen, ist darüber eine Debatte ausgebrochen. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke befürchtet, dass das Urteil zulasten der Kinder gefällt worden sein könnte. "Ich respektiere die gesetzliche Regelung, aber ich bedauere, dass damit die Verantwortung, die auch in einer getrennten Familie besonders für die Kinder bestehen muss, geschwächt wird. Die Leidtragenden sind die Schwächeren, besonders die Kinder", sagte er dem Abendblatt.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis fordert nach dem wegweisenden Urteil sogar gesetzliche Korrekturen zum Wohle der Kinder: "Das Urteil zeigt deutlich, dass das Unterhaltsrecht so, wie wir es beschlossen haben, eine schlechte Lösung für die Kinder in geschiedenen Ehen ist", sagte er dem Abendblatt. "Es muss jetzt sehr wohl überprüft werden, ob das Gesetz so zu halten ist", fügte Geis hinzu. "Gerade Kinder brauchen die besondere Fürsorge ihrer Mütter." Dass diese in der Regel nur noch in den ersten drei Lebensjahren des Kindes Anspruch auf Betreuungsunterhalt von ihrem Ex-Gatten haben, ist nach Auffassung von Geis entschieden zu wenig: "Ich bin dafür, dass diese Frist um einige Jahre verlängert wird", sagte Geis - und sieht sich damit nicht alleine: "Ich kann mir vorstellen, dass aufgrund dieses Urteils viele in der Unionsfraktion darüber nachdenken werden, ob eine Korrektur notwendig ist."

Geis' Fraktionskollege Johannes Singhammer reagierte zurückhaltend: "Das Urteil ist im Rahmen dessen, was wir nach dem Unterhaltsrecht erwartet haben." Dennoch befürchtet der Familienpolitiker auch negative Folgen für die Gerichte: "Das Gesetz erlaubt eine Menge Einzelfall-Regelungen. Ich prophezeie mehr Arbeit für die Gerichte", so Singhammer.

Die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin nahm den Richterspruch dagegen positiv auf: "Das Unterhaltsrecht orientiert sich jetzt mehr am Wohl des Kindes und weniger am Wohl des geschiedenen Partners", sagte sie dem Abendblatt. "Der Gesetzgeber muss nun aber auch die Strukturen für umfassende Betreuungsangebote in ganz Deutschland schaffen, damit sich Berufstätigkeit und Kinderbetreuung auch für Alleinerziehende gut unter einen Hut bringen lassen", forderte Koch-Mehrin. "Das würde auch die Position alleinerziehender Frauen stärken, die heute noch häufig unter Altersarmut aufgrund geringer Berufstätigkeit leiden." Ähnlich die Haltung der Nordelbischen Kirche: "Wir begrüßen, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes jetzt vorrangig behandelt wird", sagte Sprecher Thomas Kärst.