US-Präsident Barack Obama hat offenbar den ersten Schritt zur Schließung des Gefangenenlagers in Guantanamo getan und damit in Deutschland die Debatte über eine Aufnahme von Häftlingen angefacht.

Berlin. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte eine Aufnahme entlassener Häftlinge ab und verwies auf die Verantwortung der USA. Dagegen sprach sich der Koordinator der Regierung für deutsch-amerikanische Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), für eine Aufnahme von Häftlinge aus. Ähnlich äußerte sich die Opposition. Die Bundesregierung will sich die Entscheidung offenhalten und abwarten, ob die USA überhaupt um Aufnahme von Ex-Gefangenen bitten. Deutschland wolle sich wie andere Staaten die Vorstellungen Obamas anhören, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. "Ob sich dann ein Handlungsbedarf auf europäischer oder nationaler Ebene ergibt, werden wir davon abhängig machen, wie diese Überlegungen aus den Vereinigten Staaten aussehen."

Ein Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, dieser wolle nicht, dass eine Schließung des Lagers daran scheitere, dass sich kein Aufnahmeort für Häftlinge finde, die nicht in den USA angeklagt würden, nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehrten oder nicht in den USA bleiben wollten oder könnten. Schäuble sagte der "Frankfurter Rundschau", die Gefangenen, bei denen es keine gesetzlichen Gründe für einen Freiheitsentzug gebe, müssten freigelassen werden. "Wenn sie aus Ländern kommen, in die sie aus Menschenrechtsgründen nicht zurückkehren können, müssen sie eben in den USA bleiben." Er kenne keinen Grund, warum jemand, der zu gefährlich für Amerika sein soll, von einem EU-Land aufgenommen werden müsste. Schäuble wandte sich gegen den Vorstoß Steinmeiers, der Obama die Aufnahme einzelner Gefangener angeboten hatte. "Der Außenminister ist der Außenminister. Zuständig sind die Innenminister von Bund und Ländern."

Dagegen mahnte Voigt im Deutschlandfunk, die Bundesrepublik dürfe sich nicht von vornherein gegen eine Aufnahme entlassener Gefangener sperren. Es sei zwar zuerst Sache der USA, das von ihnen geschaffene Problem zu lösen. Aber auch Deutschland sei an einer Lösung interessiert.

Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt wies Obama die Militärankläger an, in allen 21 laufenden Verfahren eine 120-tägige Aussetzung zu beantragen. Er hatte angekündigt, das Gefangenenlager im US-Militärstützpunkt auf Kuba zu schließen. Die Prozesse sollen vor regulären Gerichten in den USA fortgeführt werden.