In die Diskussion um Führungsschwäche der Kanzlerin platzt die Abrechnung des ehemaligen Wirtschaftsministers.

Berlin. Am Wochenende hat man sich in der SPD zurückgelehnt und genüsslich zugeschaut, wie die CDU-Vorsitzende Angela Merkel öffentlich von einigen ihrer sogenannten Parteifreunde angegangen wurde. Nicht nur vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, sondern auch von Leuten aus der zweiten Reihe, die die Bundeskanzlerin geradezu ultimativ aufforderten, sich stärker auf die konservativen Stammwähler zu konzentrieren und endlich "Führung" zu zeigen. Am Sonntagabend trat dann der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering vor eine ARD-Kamera und erklärte, da in der Union ein so großes Durcheinander herrsche - "Da ist keine Fahne mehr, hinter der man sich sammeln kann!" -, werde die SPD für Ordnung sorgen. Angesichts der schweren Krise dürfe man nicht in Parteipolitik flüchten. Womit Müntefering natürlich sagen wollte, dass der Koalitionspartner genau das tue.

Zweifellos ist das so. Sechs Monate vor der Bundestagswahl brechen in der Union die Gräben auf. Zwischen CSU und CDU, zwischen den alten Konservativen aus dem Westen und einer Kanzlerin, die - woran man jetzt wieder erinnert - aus dem Osten kommt. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer gab dem "Handelsblatt" am Wochenende ein Interview, in dem er Angela Merkel rügte. "Beim Thema Papst", tönte Ramsauer, und im Streit um die Berufung von Erika Steinbach in den Beirat der Vertriebenen-Stiftung sei in der Öffentlichkeit "ein falscher Zungenschlag" angekommen.

Ist das ein kleiner Aufstand oder schon der Beginn einer Revolte? Merkel-Bashing? Oder schon Merkel-Mobbing? Der SPD kann es egal sein. Die säte rasch noch ein paar Spaltpilze in der Union. Merkel werde dem Anspruch zu führen "nicht gerecht", verkündete SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck. Merkel habe im Streit über die Reform der Hartz-IV-Verwaltung "gewackelt". Überhaupt sei das Wackeln Merkels Führungsstil.

Gestern hat die SPD allerdings erleben müssen, dass man sich auch zu früh freuen kann. Gestern erschienen in der "Bild"-Zeitung die ersten Auszüge aus dem Buch, das Wolfgang Clement geschrieben hat. Der Ex-Genosse. Der es gewagt hat, die hessische SPD-Linke Andrea Ypsilanti für ihr gebrochenes Wahlversprechen zu kritisieren. Und dafür vor das Schiedsgericht der Partei gezerrt wurde. Im Berlin tat man gestern so, als sei Clements "Klartext" völlig ohne Belang. Nein, beteuerte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, mit dem Buch habe man sich im Präsidium "überhaupt" nicht beschäftigt. Andererseits lebe man in einem freien Land, und da könne ja "jeder schreiben, was er will". Was Clement geschrieben hat, ist allerdings nicht ohne. Er wirft Franz Müntefering vor, der SPD "schweren Schaden" zuzufügen, indem er die Genossen dazu aufrufe, auf Länderebene Koalitionen mit der Linkspartei einzugehen, "wenn dadurch ein Sozialdemokrat ins Amt des Ministerpräsidenten gebracht wird". Für Ottmar Schreiner, den ehemaligen Bundesgeschäftsführer der SPD, ist das "grober Unfug, was Clement da behauptet". In Berlin, so Schreiner gegenüber dem Abendblatt, funktioniere die rot-rote Koalition auf Landesebene doch reibungslos!

Solche Sätze werden auf die, die die SPD nie wieder in einem Bündnis mit der Linkspartei erleben wollen, nicht eben beruhigen.

So hat jeder seine Probleme. Bei den Liberalen sieht man die schleichende Selbstauflösung der Großen Koalition mit gemischten Gefühlen. Da sorgt man sich um die Union. Aus der Sicht von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hat sich Angela Merkel von den politischen Grundauffassungen ihrer Parteibasis abgekoppelt. "Ich werfe der Bundeskanzlerin nicht vor, dass sie Kompromisse mit dem Regierungspartner sucht - aber wie sie es tut, das ist das Problem." Zwanzig Steuererhöhungen in drei Jahren, planwirtschaftlicher Gesundheitsmurks "und noch das Enteignungsgesetz" - damit weiche die Union immer weiter vom Pfad der erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft ab, so Niebel gegenüber dem Abendblatt.