Bundestagspräsident im Abendblatt-Interview: „Der Wahlkampf muss so ruhig und nüchtern wie möglich vonstatten gehen – ohne Schwarzmalerei und ohne Verheißungen“

Hamburg. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat in einem Interview des Hamburger Abendblattes die Parteien ermahnt, im Bundestagswahlkampf keine Steuersenkungen zu versprechen. "Der Wahlkampf muss so ruhig und nüchtern wie möglich vonstatten gehen ohne Schwarzmalerei und ohne Verheißungen." Lammert sagte weiter: "Man sollte den Einsatz für ein einfacheres und gerechteres Steuersystem nicht mit der leichtsinnigen Ansage verbinden, dass in einem überschaubaren Zeitraum substanzielle Steuersenkungen möglich wären."

Die Wahlkämpfer hätten "eine besondere Verantwortung", betonte Lammert. "Wir reden über Größenordnungen, die das Vorstellungsvermögen der meisten Menschen schlicht überfordern. In dieser Situation wäre es hochgradig verantwortungslos, mit den Besorgnissen und Unsicherheiten der Wähler zu spielen." Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tritt dafür ein, dass die Union mit der Ankündigung von Steuersenkungen in den Bundestagswahlkampf zieht. Auch die FDP will für Steuererleichterungen werben.

Außerdem hat Lammert eine Änderung des Wahlrechts noch vor der Bundestagswahl gefordert. Er appellierte an die Parteien, die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Vorschrift zu Überhangsmandaten rasch zu korrigieren. "Es ist unbedingt erwünscht und bei gutem Willen auch möglich, diese Regelung in unserem Wahlrecht so rechtzeitig zu korrigieren, dass sie schon bei den nächsten Bundestagswahlen Anwendung finden könnte", sagte der Präsident.

"Es wäre mehr als ein Schönheitsfehler, wenn auch nach der nächsten Bundestagswahl einzelne Überhangmandate unter genau den beanstandeten Bedingungen erneut zustande kämen", betonte Lammert. Daher werbe er "für eine Verständigung unter allen politischen Kräften, eine solche Korrektur der beanstandeten Regelung zu Überhangmandaten noch für die nächste Bundestagswahl möglich zu machen."

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelung zu Überhangmandaten im vergangenen Jahr für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer Überarbeitung bis 2011 aufgefordert. Die Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD lehnen eine Wahlrechtsänderung noch vor der Bundestagswahl bisher ab.