US-Vizepräsident Joe Biden hat einen “neuen Ton“ in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA angekündigt. Allerdings würden die USA von ihren Partnern auch mehr verlangen, sagte er.

München. US-Vizepräsident Joe Biden hat einen "neuen Ton" in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA angekündigt. Er sei als Mitglied einer US-Regierung nach Europa gekommen, die entschlossen sei, in Washington und den auswärtigen Beziehungen seines Landes einen neuen Ton anzuschlagen, sagte Biden bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Die USA würden "mehr tun", um den Herausforderungen dieses Jahrhunderts zu begegnen.

Allerdings würden die USA von ihren Partnern auch mehr verlangen, sagte Biden. So forderte er von den Bündnispartnern die Aufnahme von Häftlingen des US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba, das die US-Regierung schließen will. "Wir werden andere auffordern, die Verantwortung für einige zu übernehmen, die jetzt in Guantanamo sind", sagte Biden. Die Bundesregierung hat noch keine einheitliche Position, was die mögliche Aufnahme ehemaliger Häftlinge angeht.

Washington wolle partnerschaftlich vorgehen, wo immer es möglich sein. Alleingänge werde es nur geben, wenn dies notwendig sei, sagte Biden. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an die Adresse der USA gesagt, diese sollte bei Konflikten künftig Alleingänge vermeiden. Biden sicherte jedoch zu, Washington werde sich engagieren, zuhören und sich absprechen. "Amerika braucht die Welt, ebenso wie die Welt - wie ich glaube - Amerika braucht", sagte Biden.

Bidens Rede auf der Konferenz war mit großer Spannung erwartet worden, weil damit erstmals auf internationalem Parkett die künftige Marschrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik der neuen US-Regierung präsentiert wurde. Besonderes Interesse galt Hinweisen auf die künftige Afghanistan-Strategie. In diesem Punkt habe sich die US-Regierung eine "umfassende Strategie" zum Ziel gesetzt, die zivile und militärische Mittel verbinde, sagte Biden. Zufluchtsorte für Terroristen dürfe es künftig nicht mehr geben.

Im Atomstreit mit dem Iran sagte Biden an die Adresse Teherans: "Wir sind zu Gesprächen bereit." Zugleich warnte er, wenn das Land sein "illegales" Atomprogramm fortsetze, drohten ihm "Druck und Isolation". Wenn der Iran jedoch das Atomprogramm und seine Unterstützung für den Terrorismus beende, dann werde es "bedeutsame Anreize" für Teheran geben. Merkel hatte am Samstag ihrerseits mit härteren Sanktionen gedroht, sollten diplomatische Bemühungen um ein Ende des Atomprogramms scheitern.

Zum Schutz vor der wachsenden Bedrohung aus dem Iran wollten die USA ihre Raketenabwehr vorantreiben, sagte Biden - vorausgesetzt, die Technologie sei wirksam und kosteneffizient. Dies werde im Dialog mit den Verbündeten in der NATO und Russland geschehen. Aus Sicht Russlands richtet sich die von Washington geplante Stationierung von Abwehrrakten und einem Radarschirm in Polen und Tschechien gegen ihr Land.

Westen reicht Russland die Hand Zugleich warb Biden für einen Neustart in den Beziehungen zwischen der NATO und Russland. Der Moment sei gekommen, diese Beziehungen wiederzubeleben. Diese Beziehungen seien in der Vergangenheit "gefährlich abgedriftet". Nun sei es an der Zeit, "die vielen Bereiche wieder anzugehen, in denen wir zusammenarbeiten können und sollten", sagte Biden.

Zugleich wurde Russland wegen des Georgien-Kriegs und Gas-Streits scharf kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangte mehr politische Diskussionen innerhalb der NATO und eine Abkehr von rein militärischem Vorgehen.

Biden bot in der ersten außenpolitischen Grundsatzrede nach dem Amtswechsel in Washington Russland den Dialog an. Die USA und Russland hätten viele gemeinsame Interessen. Im Streit um die von Ex-Präsident George W. Bush geplante Raketenabwehr in Mitteleuropa sagte Biden, sein Land wolle das System zwar weiterentwickeln - allerdings nur, wenn es technisch sinnvoll, machbar und kosteneffizient sei. "Wir werden dieses in Abstimmung mit unseren NATO-Verbündeten und Russland tun."

2007 hatte der damalige russische Präsident Wladimir Putin in München wegen der Pläne eine Rede von schneidender Schärfe gegen den Westen gehalten, die als Beginn einer neuen Eiszeit gewertet worden war. In einer ersten Reaktion auf Biden erklärte sich Russland nach Angaben von Außenminister Sergej Lawrow zur Reduzierung seines Atomwaffenarsenals bereit. Russland begrüße, dass die Regierung von Barack Obama der Abrüstungsproblematik Priorität einräume, sagte Lawrow am Samstag dem TV-Sender "Rossija". Sein Land sei zu Gesprächen über ein Nachfolgedokument des in diesem Jahr auslaufenden Start-Abkommens bereit.

Gewicht Europas in der NATO stärken NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer drang erneut auf ein stärkeres Engagement der Europäer im transatlantischen Bündnis. Die neue US-Regierung erwarte nicht nur gute Ratschläge, sondern auch eine gerechtere Lastenteilung, mahnte er. Der Generalsekretär zeigte sich im Hinblick auf Afghanistan besorgt, dass die USA ein größeres Engagement planten, "andere Staaten aber schon ausgeschlossen haben, mehr zu tun".

Merkel rechtfertigte sich mit den Worten, Deutschland habe in den vergangenen Jahren sein "Engagement in der Welt massiv verstärkt". Im Hinblick auf Afghanistan betonte Merkel, dass die Bundeswehr dort drittgrößter Truppensteller sei. Auch vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise kündigte sie an, dass das Engagement am Hindukusch "so lange gehen muss, bis eine selbsttragend Sicherheit geschaffen ist".

Am Rande der Konferenz traf sich Merkel zum bilateralen Austausch mit Biden. Merkel und Biden hätten dabei über die Wirtschafts- und Finanzkrise, Klimawandel, die Lage in Nahost, Afghanistan und Pakistan beraten - und über das Atomprogramm des Iran, teilte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm mit. Die Kanzlerin habe die von Biden signalisierte Bereitschaft zur Zusammenarbeit begrüßt.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen betonten Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, sie wollen das Gewicht Europas in der NATO bei der strategischen Neuausrichtung des Bündnisses stärken. "Wir wollen beide dazu beitragen, die NATO europäischer zu gestalten", sagte Sarkozy. Europa müsse bei der Formulierung des neuen strategischen Konzepts der NATO eine zentrale Rolle spielen. Merkel und er seien sich der deutschen und französischen Verantwortung bewusst, Europa voranzubringen, sagte er. Merkel und Sarkozy kündigten zudem eine neue deutsch-französische Initiative an, damit Europa geeinter und besser auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren könne.