CSU-Parteichef Horst Seehofer würde Scheitern des Betreuungsgeldes nicht hinnehmen und droht mit Koalitionsbruch. Lindner pocht auf Finanzierungsvorbehalt. Dobrindt mahnt Vertragstreue bei FDP an.

Berlin. Der Streit um das Betreuungsgeld entwickelt sich nach der missratenen Einbringung in den Bundestag zum Sprengsatz für die schwarz-gelbe Koalition. CSU-Chef Horst Seehofer drohte am Wochenende offen mit dem Bruch der Koalition, sollte das Projekt nicht verwirklicht werden. Zuvor hatte FDP-Chef Philipp Rösler weitere Änderungen an dem Gesetzentwurf gefordert. Der nordrhein-westfälische FDP-Landeschef Christian Lindner brachte sogar den kompletten Verzicht auf die heftig umstrittene geplante Sozialleistung ins Spiel.

„Die CSU würde ein Scheitern des Betreuungsgeldes nicht hinnehmen“, drohte Seehofer am Samstag in der ARD. Er ergänzte: „Und die Stimmen der CSU sind in dieser Koalition notwendig.“ Zuvor hatte Rösler dafür plädiert, die durch die Panne bei der Einbringung in den Bundestag erzwungene Pause für Änderungen zu nutzen. In der „Bild am Sonntag“ fordert er unter anderem, ein Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld zu vermeiden.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte in der „Welt am Sonntag“, Röslers Verhalten löse Befremden aus. Er wünsche sich mehr Geradlinigkeit und Vertragstreue beim Koalitionspartner. FDP-Generalsekretär Patrick Döring konterte in der „Welt“ vom Montag, Dobrindt habe ein seltsames Politikverständnis.

Auch das Familienministerium von Kristina Schröder (CDU), die zu den Verfechtern des Betreuungsgeldes zählt, und das Justizministerium von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gerieten aneinander. Zuerst teilte das Familienministerium mit, das von Rösler kritisierte Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld sei doch vom Bundesjustizministerium gewünscht. Dem widersprach der Sprecher von Leutheusser-Schnarrenberger: Sein Ministerium sei nicht für die Inhalte des Gesetzentwurfes zuständig. In der ursprünglichen Fassung habe das Familienministerium die parallele Zahlung von Betreuungsgeld und Elterngeld gewollt. Das Bundesjustizministerium habe lediglich darauf hingewiesen, dass dies anders begründet werden müsse.

Der FDP-Landeschef in NRW Lindner ging den bayerischen Koalitionspartner direkt an: „Die CSU zwingt die Koalition nun dazu, mit dem Geld, das wir nicht haben, eine Sozialleistung einzuführen, die niemand will“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Wichtiger als die mit der Union vereinbarte Einführung des Betreuungsgeldes sei der Finanzierungsvorbehalt. Wenn das Betreuungsgeld den von der FDP 2014 angestrebten Haushaltsausgleich verzögere, werde er nicht dafür stimmen. Umfragen haben in der vergangenen Woche belegt, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung gegen die Einführung eines Betreuungsgeldes ist. Vor allem wird befürchtet, dass das Geld beim Ausbau der Krippenplätze fehlen wird.

SPD und Grüne warfen der CSU vor, als einzige Bundestagspartei das Betreuungsgeld gegen den Willen einer großen Mehrheit durchdrücken zu wollen. „Der bayerische Löwe brüllt, weil ihm die Felle davonschwimmen“, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Er forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, den Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld zurückzuziehen, um einen unbelasteten Neuanfang zur Debatte um Kinderbetreuung zu ermöglichen. Sein grüner Kollege Volker Beck warf Seehofer Erpressung vor. Die Drohung mit dem Koalitionsbruch zeige, dass die CSU keine vernünftigen Argumente für das Betreuungsgeld habe.

Die vergangenen Freitag geplante Einbringung des Gesetzentwurfes zum Betreuungsgeld war gescheitert, weil kurz zuvor weit mehr als die Hälfte der Abgeordneten an einer Abstimmung nicht teilnahm. Daraufhin wurde die Sitzung wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen. Die Opposition war absichtlich ferngeblieben, doch auch die Koalition brachte ihre Mehrheit nicht zustande. Damit scheiterte der Plan von Union und FDP, das Vorhaben noch vor der Sommerpause durch den Bundestag zu bringen und eine kontroverse Debatte in den eigenen Reihen zu beenden.

Das Betreuungsgeld soll ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die für ihre Kinder kein staatlich gefördertes Betreuungsangebot und eine öffentlich bezuschusste Tagesmutter in Anspruch nehmen. Kritiker halten es mit Blick auf die überschuldeten öffentlichen Kassen für überflüssig und beklagen, es halte Mütter vom Arbeitsleben fern. (rtr)