Parteichef Horst Seehofer würde Scheitern des Betreuungsgeldes nicht hinnehmen

Berlin. Der Streit um das Betreuungsgeld entwickelt sich nach der missratenen Einbringung in den Bundestag zum Sprengsatz für die schwarz-gelbe Koalition. CSU-Chef Horst Seehofer drohte am Wochenende offen mit dem Bruch der Koalition, sollte das Projekt nicht verwirklicht werden: "Die CSU würde ein Scheitern des Betreuungsgeldes nicht hinnehmen", sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonnabend in der ARD. Nach einer Krisensitzung der CSU-Spitze im bayerischen Schrobenhausen ergänzte er: "Und die Stimmen der CSU sind in dieser Koalition notwendig."

Die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel hat Seehofer Erpressung vorgeworfen. "Ich finde die Art, wie Horst Seehofer die Koalition zu erpressen versucht, unerträglich", sagte sie der "Welt". Jedes Bundesland könne schon jetzt für sich entscheiden, ob es ein Betreuungsgeld einführen möchte. FDP-Chef Philipp Rösler hatte dafür plädiert, die durch die Betreuungsgeld-Panne bei der Einbringung in den Bundestag erzwungene Pause für Änderungen zu nutzen. In der "Bild am Sonntag" fordert er, ein Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld zu vermeiden. Das Familienministerium erklärte, Rösler wende sich gegen die Forderung seiner Parteifreundin, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: "Das Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld ist vom FDP-geführten Bundesjustizministerium in der Ressortabstimmung ausdrücklich gefordert worden", erklärte ein Sprecher von Familienministerin Kristina Schröder (CDU).

Der FDP-Landeschef in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, ging den bayerischen Koalitionspartner direkt an: "Die CSU zwingt die Koalition nun dazu, mit dem Geld, das wir nicht haben, eine Sozialleistung einzuführen, die niemand will", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Wichtiger als die mit der Union vereinbarte Einführung des Betreuungsgeldes sei der Finanzierungsvorbehalt. Wenn das Betreuungsgeld den von der FDP 2014 angestrebten Haushaltsausgleich verzögere, werde er nicht dafür stimmen.

SPD und Grüne warfen der CSU vor, als einzige Bundestagspartei das Betreuungsgeld gegen den Willen einer großen Mehrheit durchdrücken zu wollen. "Der bayerische Löwe brüllt, weil ihm die Felle davonschwimmen", erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Die am vergangenen Freitag geplante Einbringung des Gesetzentwurfs zum Betreuungsgeld war gescheitert, weil kurz zuvor weit mehr als die Hälfte der Abgeordneten an einer Abstimmung nicht teilnahm. Daraufhin wurde die Sitzung wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen. Die Opposition war absichtlich ferngeblieben, doch auch die Koalition brachte ihre Mehrheit nicht zustande. Damit scheiterte der Plan von Union und FDP, das umstrittene Vorhaben noch vor der Sommerpause durch den Bundestag zu bringen. Das Betreuungsgeld soll ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die für ihre Kinder kein staatlich gefördertes Betreuungsangebot in Anspruch nehmen.

Bundestagspräsident Lammert sagte der "WAZ"-Gruppe, das Vorgehen der Opposition sei zulässig. Die Koalition müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, mit dem Tagesordnungspunkt Betreuungsgeld "etwas fahrlässig oder treuherzig" umgegangen zu sein, nachdem klar gewesen sei, dass die Opposition gegen eine Verabschiedung noch vor der Sommerpause gewesen sei. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), zu dessen Aufgaben das Sicherstellen eigener Mehrheiten zählt, zeigte sich wenig selbstkritisch und warf der Opposition im NDR einen Boykott der Beratung vor.