Kanzlerin Merkel warnt Partner an den Tagen vor dem G20-Gipfel in Mexiko vor einer Überlastung der Bundesrepublik bei der Krisenbewältigung.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihren umstrittenen Kurs in der Euro-Schuldenkrise verteidigt und vor einer Überforderung Deutschlands gewarnt. In einer Regierungserklärung zum G20-Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsmächte Anfang kommender Woche in Mexiko sagte Merkel: "Auch Deutschlands Stärke ist nicht unendlich. Auch Deutschlands Kräfte sind nicht unbegrenzt." Dies werde sie all denen sagen, die beim Gipfel "wieder auf Deutschland schauen, die von Deutschland den Paukenschlag und die Lösung erwarten, die Deutschland von Euro-Bonds, Stabilitätsfonds, europäischen Einlagensicherungsfonds, noch mehr Milliarden und viel mehr überzeugen wollen". Die Kräfte dürften nicht überschätzt werden.

Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) treffen sich am Montag und Dienstag im mexikanischen Los Cabos. Zentrales Thema wird auch dort die Euro-Schuldenkrise sein. Deutschland kommt als stärkster Wirtschaftsmacht in Europa bei der Bewältigung der Finanzkrise eine Schlüsselrolle zu. Unmittelbar vor dem Gipfel wird in Griechenland ein neues Parlament gewählt. Der Ausgang dürfte darüber entscheiden, ob das pleitebedrohte Land in der Euro-Zone bleibt.

Merkel sieht bei der Stärkung der Weltwirtschaft alle G20-Länder in der Pflicht und lehnt einseitige Schuldzuweisungen ab. "Wenn die G20 überzeugend agieren wollen, dann muss in Los Cabos auch klar werden, dass nicht die Euro-Zone alleine die Voraussetzungen für ein starkes und nachhaltiges Wachstum weltweit schaffen kann."

+++ Merkel warnt vor überzogenen Erwartungen an Deutschland +++

Schuldenfinanzierte Wachstumsprogramme lehnte Merkel erneut strikt ab. Alle G20-Länder müssten zudem ihre selbst gesteckten Ziele bei der Sanierung der Staatsfinanzen und der Regulierung der Finanzmärkte erfüllen. Es sei nicht gelungen, den Schwung zu nutzen, Finanzakteure einheitlich und global zu besteuern, kritisierte Merkel. Lücken gebe es auch noch bei der Aufsicht von "Schattenbanken" und Hedgefonds.

"Wir müssen unsere Kräfte glaubwürdig einsetzen, damit wir sie mit voller Kraft für Deutschland und Europa einsetzen können", so Merkel. Die scheinbar einfachen Vergemeinschaftungsüberlegungen seien kontraproduktiv und verfassungsrechtlich nicht machbar. "Sie würden das Mittelmaß für Europa zum Maßstab erklären."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Merkel einen übertriebenen Sparkurs vor: "Sie haben sich eingegraben in einer Vorstellung vom Gesundschrumpfen der Wirtschaft, dass Ihnen eine Umkehr jetzt so schwerfällt." Gestritten werde nicht über die Notwendigkeit von Konsolidierung, sondern wie sie zu erreichen sei. Aus Sicht von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi wird die Politik Merkels in Europa abgewählt. Er forderte ein Ende der Spardiktate. "Diese Ignoranz halte ich für nicht hinnehmbar." Nach den Worten von Renate Künast, Chefin der Grünen-Fraktion, geht es nicht darum, die Konsolidierungsbemühungen aufzugeben, sondern am Kern der Probleme anzufangen. "Man muss Chancen für Wachstum schaffen."

Näher gekommen sind sich Koalition und Opposition beim umstrittenen europäischen Fiskalpakt. Er wird nun wohl am 29. Juni zusammen mit dem Euro-Rettungsschirm ESM verabschiedet. Das teilten die Koalitionsfraktionen nach Beratungen von Merkel und den Partei- und Fraktionsvorsitzenden in Berlin mit. Der Bundesrat soll in einer Sondersitzung noch am selben Abend entscheiden. Beide Seiten vereinbarten weitere Beratungen, um letzte Unstimmigkeiten auszuräumen.

+++ Fiskalpakt: Scheitern nicht ausgeschlossen +++

Angesichts der sich verschärfenden Schuldenkrise in Ländern wie Spanien und der Schicksalswahl in Griechenland am Sonntag will Deutschland damit ein Signal der Sicherheit an die äußerst nervösen Märkte senden. SPD und Grüne pochten wie die Länder darauf, dass bis zu einer endgültigen Zustimmung bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssten. Die Koalition braucht bei der Umsetzung des Fiskalpaktes Stimmen der Opposition. Wie im Bundestag ist auch in der Länderkammer eine Zweidrittelmehrheit nötig.

Merkel will am Nachmittag des 29. Juni vom EU-Gipfel in Brüssel nach Berlin zurückreisen, um an der Bundestagssitzung teilzunehmen. Sie hatte darauf gedrungen, den Pakt für mehr Haushaltsdisziplin gemeinsam mit dem ESM noch vor dessen Inkrafttreten am 1. Juli zu ratifizieren. Die Spitzenrunde von Koalition und Opposition zu Fiskalpakt und ESM will am 21. Juni erneut mit Merkel zusammenkommen. Nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien am 22. Juni ist zudem am 23. Juni eine weitere Begegnung der Partei- und Fraktionsvorsitzenden vorgesehen.

Die Länder blieben zunächst auf Blockadekurs. Sie knüpfen ihr Ja an Zusagen des Bundes sowie an finanzielle Entlastungen der Kommunen. Dabei geht es um die Übernahme von Sozialausgaben sowie eine Regelung für die Altschulden der Kommunen. Die Länder seien einhellig der Meinung, dass der Bund sich bewegen müsse, sagte der Regierungschef von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU).