Früher als die Kanzlerin wurden die SPD-Spitzen von Frankreichs Präsidenten empfangen. In Berlin arbeiten sie sich erfolglos an Merkel ab.

Berlin. Die Troika ist heil in Paris gelandet. Für die SPD ist das zunächst eine gute Nachricht - mit ganz viel Augenzwinkern aber auch eine schlechte. Noch am Vorabend wurde nämlich witzelnd gemutmaßt, ob es denn eine gute Idee sei, wenn Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück gemeinsam mit demselben Flugzeug reisen - ein Verweis auf die bei Spitzenpolitikern oft angewandte Praxis, aus Sicherheitsgründen mit getrennten Maschinen zum selben Termin zu fliegen.

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Die Genossen saßen gerade bei der traditionellen Seeheimer Spargelfahrt auf dem Wannsee essend und trinkend beisammen, und die Stimmung war gut. "Also, ich weiß ja nicht genau, was hinter dieser Frage steckt", gab Steinmeier amüsiert zurück, "aber hoffentlich nicht die Hoffnung einiger darauf, dass sich die Troika-Frage auf diese Weise löst." Großes Gelächter unter den rund 450 Gästen auf der "MS Havel Queen". Die jährliche Dampferfahrt ist eines der bedeutendsten Ereignisse in der Berliner Republik. Bis auf Gabriel, der wegen eines Trauerfalls fehlte, ist jeder mit an Bord, der in der SPD wichtig ist. Klar, dass es auch um die K-Frage geht.

Die Partei hat sich allerdings vorgenommen, sie erst nach den Wahlen in Niedersachsen am 20. Januar 2013 zu beantworten. Vorher, so das Kalkül, würde sich der Kandidat abnutzen. Also ist die berühmte Troika weiterhin gemeinsames Aushängeschild. Drei Kandidaten-Kandidaten, die gestern gemeinsam zum neuen französischen Präsidenten François Hollande flogen.

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Auch wenn die Diskussion darüber, welcher der drei nun der Richtige sei, vorerst weitergehen wird, schlägt die SPD damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens gehört der Sozialist Hollande zur selben Parteienfamilie. Gelingt der SPD 2013 die Regierungsübernahme, lassen sich gemeinsame Interessen leichter durchsetzen. Zweitens, und das ist deutlich wichtiger, ist der Besuch ein Angriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Dass Hollande noch vor ihrem Besuch den politischen Gegner empfängt, ist ein klarer Affront.

Doch damit hört es auch schon auf. Denn sosehr sich die schwarz-gelbeRegierungskoalition über Themen wie Betreuungsgeld, Steuerreform oder Frauenquote streitet, so wenig schafft es die SPD, daraus Kapital zu schlagen. Noch immer dümpelt sie in Umfragen unterhalb der 30-Prozent-Marke. Und Merkel ist die beliebteste Politikerin der Bundesrepublik.

Auf der "Havel Queen" wurde von den Genossen neben der K-Frage auch über diese Fragen philosophiert. Die Kulisse ist perfekt dafür: Der Seeheimer Kreis, der zur Dampferfahrt bittet, ist der pragmatisch-konservative Flügel der SPD. Er wurde 1974 ins Leben gerufen, um den eher ideologietreuen Parteilinken eine undogmatische, auf Regierungsfähigkeit bedachte Gruppe entgegenzustellen. Altkanzler Helmut Schmidt zählte zu den Gründungsvätern und nahm einige Seeheimer in sein Kabinett auf.

Auch jetzt müsste für das Projekt Regierungsfähigkeit aus Sicht einiger Genossen an Bord bald etwas getan werden. Statt immer nur Troika brauche man langsam mal ein umfassendes Programm, eine Vision, heißt es an Bord. Einen großen Wurf als Alternativmodell zum Konzept Merkel, meint einer. In der Fraktion rumore es schon.

Tatsächlich ist dieses Hauptproblem der SPD in den vergangenen Monaten immer wieder sichtbar geworden: Sie schafft es kaum, eigene Themen zu setzen, sondern reagiert vielmehr auf das, was die Kanzlerin vorgibt. Gegen das Betreuungsgeld wird Kita-Ausbau gesetzt, gegen Sparanstrengungen Investitionsnotwendigkeit. Die Energiewende könnte schneller gehen, und die Frauenquote muss ganz statt nur freiwillig kommen. In den Verhandlungen um den Fiskalpakt scheint die Partei ebenfalls keinen überzeugenden Gegenentwurf für einen Weg aus der Krise vorzulegen, sondern versucht, Merkels Programm eigene Akzente hinzuzufügen.

Hollande hat es anders gemacht: Er hat sich im Wahlkampf als kompletter Gegenentwurf zum damaligen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy inszeniert. Als demütig, gerecht, ohne Glanz und Gloria. Hollande machte den Anti-Sarkozy. Doch keiner der drei SPD-Kandidaten schafft es annähernd, ein Anti-Merkel-Bild zu liefern. Vielleicht konnten sich Gabriel, Steinmeier und Steinbrück in Paris auch hier etwas abgucken.

Wer von ihnen die meisten Chancen hat, ist schwer absehbar: Gabriel hat den wohl größten Rückhalt innerhalb der Partei. Auch Steinmeier kann die Genossen hinter sich vereinen, allerdings hat er bereits eine Wahl verloren. Und Steinbrück, da sind sich alle sicher, hätte zwar im Wahlvolk die größten Chancen, dafür aber nicht in der Partei. Eine Ideallösung gibt es nicht - was so manches SPD-Mitglied frustriert und Merkel still erfreuen dürfte.

Aus seinen Ambitionen macht Steinbrück jedenfalls keinen Hehl: Als Steinmeier auf der Spargelfahrt scherzhaft ruft, es sei nur ein Fallschirm an Bord des Jets nach Paris, antwortet Steinbrück: "Der Punkt ist, dass du für diesen Fallschirm schwerer bist als ich." Und legt nach: "Geschweige denn Sigmar." Alles johlt. "Damit hat sich die Frage ja geklärt."