Hochqualifizierte aus dem Ausland sollen nach Deutschland kommen. In Hamburg könnten 2020 bis zu 100.000 Stellen unbesetzt sein.

Berlin. Maria ist Software-Entwicklerin und lebt in Dresden. Zum Studium ist die junge Frau vor ein paar Jahren aus Spanien in die sächsische Landeshauptstadt gekommen und geblieben, weil sie einen guten Job gefunden hat. "Ich lebe gern in Deutschland. Hier kann ich mich beruflich und persönlich weiterentwickeln", sagt sie mit leichtem Akzent in die Kamera.

Maria ist eines der Gesichter einer neuen, breit angelegten Informations- und Werbekampagne von Regierung und Bundesagentur für Arbeit (BA). Es geht darin um die Bewältigung des Fachkräftemangels, der nach den Worten von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wie ein "Damoklesschwert" über Deutschland hängt. Bis 2025 werden laut BA-Chef Frank-Jürgen Weise rund drei Millionen Arbeitskräfte fehlen - und es sei nicht auszuschließen, dass dieser Mangel ein größeres Risiko für die Entwicklung der Unternehmen sein könne als die Finanzkrise, warnte er. "Das Problem muss ernst genommen werden."

Weil die drohende Lücke wohl nicht allein durch Einheimische geschlossen werden kann, soll jetzt verstärkt um Fachkräfte aus dem Ausland geworben werden. Von der Leyen und Weise stellten die neue Kampagne gestern zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vor, der zugleich für eine neue "Willkommenskultur" warb. "Es lohnt sich, nach Deutschland zu kommen", sagte er. Menschen wie Maria aus Spanien sollen dabei als Vorbilder für andere dienen und sie motivieren, in der Bundesrepublik zu arbeiten.

Kernstück der Offensive sind die Internetplattformen www.fachkraefte-offensive.de und www.make-it-in-Germany.com . Für Rösler ist zudem die sogenannte Bluecard, die zum 1. August in Kraft tritt, ein erster wichtiger Schritt. Das im April vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht eine erleichterte Zuwanderung von hoch qualifizierten Facharbeitern und Akademikern aus Nicht-EU-Ländern vor.

+++ Nur willkommen heißen reicht nicht +++

Nach Angaben Weises ist der Fachkräftemangel derzeit in Baden-Württemberg und Bayern am ausgeprägtesten. Bei der Bundesagentur seien insgesamt 500 000 offene Stellen gemeldet, die nicht besetzt werden könnten. Die tatsächliche Zahl schätze er aber höher ein. Gesucht würden Mathematiker, Ingenieure, Naturwissenschaftler, aber auch Schlosser, Schweißer und Altenpflegekräfte. "Fachkräfte werden die zentrale Rolle spielen bei der Sicherung unseres Wohlstandes", betonte von der Leyen und warnte, man könne an der konstant hohen Zahl offener Stellen ablesen, dass sich die Lage verschlechtere. Zudem sei die Zeit bis zur Neubesetzung einer Stelle im vergangenen Jahr im Schnitt um elf auf nun 72 Tage gestiegen. Ein Drittel der Firmen bezeichne die Suche nach geeigneten Arbeitskräften mittlerweile als ihre Hauptsorge, dreimal so viel wie 2011.

In Hamburg gibt es nach Angaben von Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) zwar noch keinen Fachkräftemangel, jedoch "Engpässe" in einigen Berufen. Man brauche beispielsweise dringend mehr Pflegefachkräfte und Ingenieure, sagte Scheele dem Abendblatt. In einigen Jahren dürfte die Lage allerdings deutlich dramatischer werden: "Ab dem Jahr 2020 werden uns in Hamburg stetig zunehmend etwa 100 000 Fachkräfte fehlen, wenn wir diesem Trend jetzt nicht gegensteuern", warnte er.

Der Senat entwickle deshalb derzeit eine Fachkräftestrategie. Auch hierbei gehe es um eine Willkommenskultur für gut Ausgebildete aus dem Ausland, aber auch darum, Frauen und ältere Menschen stärker am Erwerbsleben zu beteiligen. Zudem soll der Übergang von der Schule in den Beruf verbessert werden. "Niemand darf verloren gehen", betonte der Senator. Die Vorschläge der Bundesregierung sind aus seiner Sicht jedoch "kein großer Wurf". Der SPD-Politiker forderte "mehr Mut zu neuen Ideen und langfristigen strategischen Ansätzen". Auch Grünen-Parteichef Cem Özdemir wies darauf hin, dass sich Frauen, Ältere und Behinderte oftmals nicht entsprechend ihrer guten Qualifikationen beruflich verwirklichen könnten. Wichtig sei zudem Bildung. Jedes Kind sollte schulreif sein, damit es später auch ausbildungsreif ist.

Auch der Deutsche Gewerkschafts-Bund (DGB), der die Initiative grundsätzlich begrüßte, mahnte weitere Schritte für die Eingliederung deutscher Arbeitskräfte an. Immer noch seien 1,5 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss, sagte DGB-Chef Michael Sommer. Daher müsse die schwarz-gelbe Bundesregierung deutlich mehr Anstrengungen unternehmen, um die inländischen Fachkräftepotenziale zu heben. Zugleich seien für ausländische Hochqualifizierte entsprechende Arbeits- und Entgeltbedingungen zu schaffen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Abend nach einem Treffen von Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften in Meseberg bei Berlin zu diesem Thema, dass vor allem die Ausbildung von Jugendlichen aus Einwandererfamilien in Deutschland dringend verbessert werden solle, um den Fachkräftemangel abzumildern. Eine gute Ausbildung auch für diese Jugendlichen sei entscheidend für ihren beruflichen Erfolg, betonte sie.