Es geht um Milliarden-Entschädigung. Neues Gaskraftwerk in Wedel oder Stellingen

Hamburg. Die Energiewende könnte die Bürger noch teurer kommen als gedacht. Wegen des Atomausstiegs in Deutschland hat der Stromkonzern Vattenfall eine Klage vor dem Schiedsgericht der Weltbank in Washington (ICSID) auf den Weg gebracht. "Durch das Abschalten der Atomkraftwerke ist uns ein erheblicher Schaden entstanden", sagte Vattenfall-Sprecherin Sandra Kühberger dem Abendblatt.

Nach Einschätzung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht es um fünf bis sechs Milliarden Euro. Im Gegensatz zu anderen Stromkonzernen kann Vattenfall Reststrommengen der bereits abgeschalteten Atommeiler in Krümmel und Brunsbüttel nicht auf andere Kernkraftwerke übertragen. "Wir haben um die Konstituierung des Schiedsgerichtes ersucht", sagte die Vattenfall-Sprecherin. Das sei zwar formal noch keine Klage. Aber das Verfahren hat begonnen. Damit gerät die Regierung in den Verhandlungen mit den Konzernen mächtig unter Druck.

Für die Koalition ist es ein heikler Prozess - das Wirtschaftsministerium wollte gestern nicht einmal bestätigen, dass dem Bund ein Verfahren in Washington droht. Nach Abendblatt-Informationen wurde jedoch bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet, außerdem engagierte die Regierung eine Frankfurter Anwaltskanzlei, die auf internationale Verfahren spezialisiert ist.

Vattenfall lässt sich laut Weltbank-Schiedsgericht von der Hamburger Kanzlei Luther vertreten. Der Konzern sei nach wie vor an einer einvernehmlichen Lösung mit der Bundesregierung interessiert, sagte Sprecherin Kühberger. Die Bundesregierung war wegen des Kompetenzwirrwarrs in der Energiewende lange gespalten. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und der inzwischen entlassene Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) stritten sich wegen der Details von Atomausstieg und Förderung erneuerbarer Energien. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ohne die beiden einen Energiegipfel veranstaltet und das Thema zur Chefsache erklärt.

Umweltschützer kritisieren die eingeleitete Klage scharf. "Mit diesem Schritt offenbart Vattenfall seine eigentliche Haltung zum Atomausstieg. Gerade in Hamburg hat das Unternehmen in den letzten Monaten versucht, auf gut Wetter zu machen und sich als Partner der Stadt und der Energiewende zu verkaufen", sagte Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.

Vattenfall hat derweil im Großraum Hamburg den Bau eines Gaskraftwerks beantragt. Der Standort ist noch offen. Wedel und Stellingen (Schnackenburgallee/Ottensener Straße) sind im Gespräch.