Der neue Geschäftsführer der Unionsfraktion Michael Grosse-Brömer über die Finanzkrise, das Betreuungsgeld und sein Verhältnis zu Hamburg.

Berlin. So richtig angekommen ist er noch nicht. Gerade ein paar Tage ist es her, dass der niedersächsische CDU-Abgeordnete Michael Grosse-Brömer zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag befördert wurde. Und Zeit, sich in seinem Büro einzurichten, hatte er wegen vieler neuer Termine noch nicht. Er ist nun einer der wichtigsten Manager von Kanzlerin Angela Merkel. Im Abendblatt-Interview erklärt er, worauf es in seinem neuen Job ankommt - und warum er an den Wochenenden im HSV-Stadion zum Hamburger wird.

+++ Michael Grosse-Brömer: Aus Buchholz an die Seite von Merkel +++

Hamburger Abendblatt: Herr Grosse-Brömer, Ihr Vorgänger im Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers, Peter Altmaier, gilt als Vertrauter von Angela Merkel. Wie eng sind Sie mit der Bundeskanzlerin?

Michael Grosse-Brömer: Mit meinem neuen Amt erhalte ich die Möglichkeit, ein intensives Verhältnis zu Angela Merkel aufzubauen. Ich hatte mit ihr schon als Justiziar der Fraktion zu tun, aber nicht täglich. Jetzt freue ich mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihr.

Ursache für Ihren Aufstieg ist die Entlassung von Norbert Röttgen als Umweltminister. Haben Sie Mitleid mit ihm?

Grosse-Brömer: Ohne Zweifel - in der Politik darf das Menschliche nicht zu kurz kommen. Auch die Kanzlerin hat in der Fraktion gesagt, dass ihr die menschliche und die politische Tragweite ihrer Entscheidung bewusst waren. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Röttgens Fall hat die Brutalität der Politik verdeutlicht. Hat er wirklich unverzeihliche Fehler begangen?

Grosse-Brömer: Wer hohe Positionen innehat und viel Verantwortung trägt, übernimmt damit zwangsläufig ein großes Risiko. Das ist in der Wirtschaft so, aber natürlich auch in der Politik. Dies ist jedem von uns bewusst.

Ihr Job ist es, Mehrheiten zu organisieren. Tun Sie dies beim Betreuungsgeld mit großer Freude?

Grosse-Brömer: Klar ist, dass es in unserer Fraktion zum Thema Betreuungsgeld unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir stehen aber erst am Anfang der parlamentarischen Beratungen. Der Gesetzentwurf kommt ja erst Anfang Juni ins Kabinett.

Die Abstimmung ist für Ende Juni angesetzt. Kann die Koalition es verkraften, wenn rund 20 bis 30 Abweichler in der CDU mit Nein stimmen?

Grosse-Brömer: Wie gesagt, wir stehen noch am Beginn der Beratungen. Am Ende sollte möglichst ein einheitliches Abstimmungsverhalten stehen. Und Sie werden sehen: Wenn wir über die Ausgestaltung diskutieren, wird mancher Vorbehalt verschwinden.

Welche Argumente sollen die Abtrünnigen überzeugen?

Grosse-Brömer: Es muss der Eindruck vermieden werden, dass Familien ihre Kinder nicht allein deshalb zu Hause lassen, um das Geld zu kassieren. Dieser Aspekt ist manchen Abgeordneten sehr wichtig. Hier müssen wir eine Lösung finden.

Die Mehrheit der Deutschen will das Betreuungsgeld nicht. Warum tut sich die Koalition diese Maßnahme an?

Grosse-Brömer: Das Betreuungsgeld ist ein Vorschlag der CSU. Wir sind eine Koalition aus drei Parteien. Und da Demokratie die Fähigkeit zum Kompromiss bedeutet, kommt es jetzt darauf an, möglichst unideologisch und wenig emotional in die parlamentarischen Beratungen einzusteigen. Im Übrigen: Ich bin mir nicht sicher, dass die Mehrheit der Deutschen das Betreuungsgeld nicht möchte.

Zu einer leidenschaftlichen Verteidigung des Betreuungsgeldes lassen Sie sich also nicht hinreißen.

Grosse-Brömer: Jetzt wird der Gesetzentwurf erst einmal beraten und verabschiedet. Übertriebene Emotionen sind jetzt fehl am Platz.

Die Euro-Rettung wird den Bundestag wohl auch noch vor der Sommerpause beschäftigen. Müssen der Fiskalpakt und der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM gemeinsam abgestimmt werden?

Grosse-Brömer: Es spricht sehr viel dafür, über ESM und Fiskalpakt gemeinsam abzustimmen. Wenn wir in Europa solidarisch sind, dann können wir auch von den Mitgliedstaaten verlangen, dass weitere Schulden vermieden werden.

Braucht Merkel die Kanzlermehrheit?

Grosse-Brömer: Die Kanzlermehrheit ist für mich nur ein schillernder Begriff. Er bedeutet viel weniger, als ihm manche Journalisten gern zuschreiben. Der Kurs der Kanzlerin hat sich in Europa durchgesetzt, und das ist ein großer Erfolg. Darauf kommt es an.

Sie sind in jedem Fall auch auf die Stimmen der Opposition angewiesen. SPD und Grüne fordern für ihre Zustimmung mehr Wachstumsimpulse. Wann macht die Koalition hier konkrete Vorschläge?

Grosse-Brömer: Die Kanzlerin hat von Anfang an Wachstumsimpulse neben den Sparprogrammen vorgeschlagen und verfolgt. Für SPD und Grüne geht es vor allem darum, sich nicht kampflos zu fügen und bloß nicht zu sagen, Angela Merkel habe alles richtig gemacht. Aber die Opposition scheint sich ja jetzt zu bewegen. Das ist gut.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier will die Zustimmung seiner Partei zum Fiskalpakt von der Einführung einer Finanztransaktionssteuer abhängig machen. Ein Grund für die Koalition, noch mal über die Abgabe auf Börsengeschäfte nachzudenken?

Grosse-Brömer: Wir haben die Finanztransaktionssteuer in Europa vorgeschlagen. Aber die Chancen, sie in der EU oder der Euro-Zone durchzusetzen, sind gering. Es gibt einfach zu viele Länder, die sich dagegen wehren. Ein Alleingang würde nur den Finanzstandort Deutschland beschädigen. Das kann auch nicht im Interesse der SPD liegen. Ich warne daher die Opposition davor, die Abstimmung über ESM und Fiskalpakt aus parteitaktischen Gründen zu verzögern. Wir haben eine große staatspolitische Aufgabe vor uns und müssen ESM und Fiskalpakt möglichst vor der Sommerpause auf den Weg bringen. Das ist notwendig, um die Stabilität des Euros zu sichern.

Wie wichtig ist es, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt?

Grosse-Brömer: Griechenland hat als Wiege der Demokratie eine große geschichtliche Bedeutung für Europa. Auf der anderen Seite ärgere ich mich schon, dass von der damaligen SPD-Bundesregierung der Euro-Eintritt Athens zu falschen Voraussetzungen zugelassen wurde. Die Konsequenzen davon tragen wir heute. Dabei wollen wir in jedem Fall alles tun, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt. Ich wünsche mir, dass auch die Griechen hierfür alles tun.

Würde die Euro-Zone einen Austritt Griechenlands verkraften?

Grosse-Brömer: Es gibt Experten, die sagen, wir könnten das finanziell schaffen. Das ist aber nicht unser Weg. Wir wollen Griechenland in der Euro-Zone halten.

Sie wohnen im südlichen Hamburger Speckgürtel. Fühlen Sie sich mehr als Niedersachse oder als Hamburger?

Grosse-Brömer: Ich bin überzeugter Niedersache, obwohl ich nicht in Niedersachsen geboren wurde, sondern in Nordrhein-Westfalen. Ich bin aber auch HSV-Fan. Wenn der Ball rollt, bin ich Hamburger. Die vergangene Saison war eine volle Katastrophe. Das muss anders werden nach der Sommerpause.

Sind Sie mit der Zusammenarbeit der beiden Länder zufrieden?

Grosse-Brömer: Wenn ich die Elbvertiefung und die A26 betrachte, dann sehe ich, dass Hamburg und Niedersachsen auf gute Partnerschaft angewiesen sind. Die Zusammenarbeit ist über die Jahrzehnte besser geworden. Früher gab es viel mehr Vorurteile. Durch die Metropolregion Hamburg sind die Länder enger zusammengewachsen. Die Grenzen sind durchlässig worden.

Muss der Norden verstärkt über einen Nordstaat nachdenken?

Grosse-Brömer: Ich finde die Debatte spannend, wie man effizienter zusammenarbeiten könnte. Im Grundgesetz ist jedoch festgelegt, dass die Länder mit Fusionen einverstanden sein müssen. Das stelle ich bei keinem norddeutschen Land fest. Momentan ist es sinnvoller darüber nachzudenken, wie die Zusammenarbeit enger werden kann. Bei Universitäten und Bildung, bei der Abfallbeseitigung, bei Wirtschaftsprojekten ist eine länderübergreifende Kooperation sehr wünschenswert.