Der EU-Wachstumsgipfel bringt statt des politischen Durchbruchs nur Unverbindliches hervor. Kanzlerin Angela Merkel kämpft für den europäischen Fiskalpakt – doch klappt die Verabschiedung zu Hause so zügig wie erhofft?

Brüssel. Angela Merkel sprach bloß fünf Minuten, beantwortete zwei Fragen und ging. François Hollande referierte eine zähe Dreiviertelstunde. Zu sagen hatten beide eigentlich: nichts, die Bundeskanzlerin und der französische Präsident, sichtlich ermattet von einem EU-Sondergipfel, der binnen sechs Stunden keine politischen Beschlüsse zustande brachte. Ja, nicht einmal eine Annäherung. Zwischen den Pressesälen des ungleichen Duos lag nur eine dünne Wand im Brüsseler Ratsgebäude. Politisch aber, das wurde in der Nacht zum Donnerstag nochmals klar, trennen sie Welten.

Strukturreformen der Arbeitsmärkte und Sozialsysteme, niedrigere Produktionskosten, Sanierung der öffentlichen Kassen – so stellt sich Merkel den Weg zu mehr Wachstum vor. Gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder und eine direkte Banken-Rekapitalisierung mit Geld aus dem künftigen Euro-Rettungsschirm, das und mehr schwebt Hollande vor. Von „vernünftigen Gesprächen, aber offensichtlichen Meinungsunterschieden“ wusste ein Diplomat anschließend zu berichten. Heraus kam erstmal nur der kleinste gemeinsame Nenner.

Längst bekannte Ideen wie eine Kapitalaufstockung für die Europäische Investitionsbank, Konjunkturhilfen aus ungenutzten Strukturfonds-Mitteln, Projektanleihen für Infrastrukturprojekte sowie die Vermittlung von Facharbeitern über Ländergrenzen hinweg und mehr Geld für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit – in diesen Punkten herrscht weitgehend Konsens. Das allein wird die schwächelnde Konjunktur aber kaum wiederbeleben.

Was für ein Signal geht also von diesem Mini-Gipfel aus? „Kein starkes jedenfalls“, glaubt Benedicta Marzinotto vom Brüsseler Think Tank Bruegel. „Dafür ist zu wenig Konkretes herausgekommen“. Entsprechend enttäuscht reagierten auch die Märkte, DAX und Euro gingen am Donnerstagmorgen weiter zurück. „Die größte Gefahr droht Europa aber nicht durch die Märkte, sondern durch seine politische Entscheidungsschwäche“, sagte Marzinotto.

Zwar ließen die Delegationen vor dem Gipfel unisono verlauten, dass es bloß darum gehe, sich „schwarz auf weiß“ über die jeweiligen Positionen der anderen Hauptstädte zu informieren. Überraschungen waren nicht zu erwarten. Manche Beobachter hatten vergebens Hoffnung geschöpft, dass sich die Gipfelteilnehmer zu einigen richtungsweisenden Grundsatzentscheidungen durchringen könnten.

Immerhin: Nicht alles, was die Staats- und Regierungschefs zwischen Spargelspitzen als Vorspeise und Schokomousse zum Dessert besprachen, landete auch in den mageren Schlussbemerkungen. „Es gab natürlich einige Meinungsverschiedenheiten, die in dem offiziellen Papier nicht auftauchen“, drang es später aus dem Ratsgebäude.

Eine von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy ins Leben gerufene Arbeitsgruppe soll sich nun darum kümmern, die Gräben zuzuschütten und Möglichkeiten für eine weitere politische Integration auszuloten. Neben ihm und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso werden auch der luxemburgische Eurogruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker und EZB-Chef Mario Draghi an dem Report feilen, der als Diskussionsgrundlage für den nächsten Gipfel Ende Juni dienen soll. Auch Euro-Bonds würden geprüft, hieß es in Brüssel.

Aber die genauen Zutaten für das Wachstumsrezept sind eben immer noch offen. Dass die Abstimmung der 27 Mitgliedstaaten über einen gemeinsamen Weg dermaßen lange dauert, sorgt auch auf der anderen Seite des Atlantiks für Unmut. US-Präsident Barack Obama fürchtet seit langem die Auswirkungen der Währungs- und Wachstumskrise auf sein Land, bot den Europäern vor dem Gipfel sogar „Berater und technische Hilfe“ an – eine regelrechte Demütigung für Brüssel.

Auf der anderen Seite hegt er auch Verständnis für eine Situation, die ihm selbst gar nicht so fremd ist, wie Obama jüngst offenbarte. In der Euro-Zone gebe es nun einmal 17 Länder, die sich auf jeden kleinen Schritt in mühseligen Verhandlungen einigen müssten: „Wenn ich also an meinen einen (zwischen Demokraten und Republikanern gespaltenen) Kongress denke, und mir 17 davon vorstelle – dann bekomme ich Kopfschmerzen.“ Über ähnliche Symptome dürfte am Donnerstag auch der eine oder andere Gipfelteilnehmer geklagt haben.