Eine neue Studie belegt, dass Mediziner zweifelhafte Fangprämien kassieren. Kammerpräsident fordert mehr Freiheiten, Verband spricht von Skandal.

Nürnberg/Hamburg. Deutschlands "Oberarzt" Frank Ulrich Montgomery hat der Politik und den Krankenkassen eine härtere Gangart angekündigt. Zu Beginn des 115. Deutschen Ärztetages im Nürnberger Opernhaus hat der Präsident der Bundesärztekammer empört auf die Vorhaltungen reagiert, niedergelassene Ärzte kassierten regelmäßig sogenannte "Fangprämien" von Krankenhäusern, Optikern oder Apotheken. Der Hamburger UKE-Radiologe kündigte an, dass sich der diesjährige Ärztetag intensiv mit Finanzierungsfragen der Krankenkassen beschäftigen und sich in die gesundheitspolitische Debatte einschalten werde. "Wenn dann im Herbst dieses Jahres die Parteien ihre Wahlprogramme schreiben, dann müssen wir sehr genau darauf achten, dass ausreichend Freiheitselemente in sozialer Gerechtigkeit in diesen Programmen auftauchen", sagte Montgomery. Die Freiheit ärztlicher Entscheidungen in medizinischen Fragen sei zugleich eine Grundfreiheit der Patienten. "Wie soll denn ein Patient, aufgeklärt und wissend, frei und mündig, etwas zu seiner eigenen Zukunft entscheiden, wenn er nicht weiß, ob der Arzt, der ihn berät und behandelt, als Sachwalter der Interessen des Patienten auftritt oder nicht als Vertreter des Staates oder der Krankenkassen?"

+++Auch Hamburger Ärzte kassieren "Fangprämien"+++

Dabei sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zur just am Beginn des Ärztetages aufgetauchten Studie über Fangprämien: "Die Gesetzeslage ist klar. Wenn ein Arzt gegen Entgelt in Kliniken zuweist, muss das geahndet werden", so Bahr zur Nachrichtenagentur dpa. Die Kassen müssten Verdachtsfällen konkret nachgehen und Konsequenzen ziehen. Eine Studie allein reiche nicht aus. Daten über einen Anstieg solcher Fälle lägen nicht vor, sagte der Minister.

Montgomery warf den Autoren der Studie Stimmungsmache gegen Mediziner vor. Er forderte die Kassen zur Anzeige der "schwarzen Schafe" auf. "Die Kassen sollen Ross und Reiter nennen, wenn sie das können." Nach Montgomerys Worten ist an vielen Fällen,die den Anti-Korruptions-Einrichtungen vorgelegt wurden, "nichts dran".

+++«Fangprämien» von Kliniken im Visier - Ärzte wehren sich+++

Die Studie hatte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen beim Wissenschaftler Kai Bussmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Auftrag gegeben. Darin verarbeitet sind Befragungen des Instituts TNS Emnid von 1040 niedergelassenen Fachärzten, leitenden Angestellten stationärer Einrichtungen und Leistungserbringern wie Apotheken, Sanitätshäusern oder Orthopädieschuhmachern. Die Erhebung kommt zu dem Ergebnis, dass oft Prämiengelder oder Sachleistungen darüber entscheiden, zu welchem Arzt, zu welcher Klinik oder welchem Physiotherapeuten Patienten gelenkt werden.

So gaben 14 Prozent der befragten Ärzte an, dass Zuweisungen gegenwirtschaftliche Vorteile üblich seien. 35 Prozent stimmten dem teilweise zu. 20 Prozent sagten, ein solches Vorgehen komme gegenüber anderen Ärzten oder Leistungserbringern häufig vor. Ein Viertel der Vertreter stationärer Einrichtungen und fast jeder zweite nicht ärztliche Leistungserbringer bezeichneten diese Praxis als üblich.

+++Studie: Ärzte kassieren für Überweisungen ordentlich ab+++

Verbandsvorstand Gernot Kiefer nannte es einen Skandal, dass jeder fünfte Mediziner die Zuweisungen gegen Entgelt als selbstverständlich ansehe. Hochgerechnet verstießen damit mehr als 27 000 niedergelassene Ärzte gegen das Berufsrecht. Hier bestehe ein hohes Korruptionspotenzial.