Länder wollen einen Ausgleich für fehlende Einnahmen. Die Ablehnung der Solarförderpläne bringt Umweltminister Röttgen in Bedrängnis.

Berlin. Die Bundesländer haben die Steuersenkungspläne der schwarz-gelben Bundesregierung blockiert. Der Bundesrat stimmte nicht dem geplanten Abbau der sogenannten kalten Progression zu. Eine Mehrheit der Bundesländer sieht eine derartige Steuersenkung im Widerspruch zur Haushaltskonsolidierung. Auch im Hinblick auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sei die Senkung unverantwortlich. Die Länder führten an, ihre Einnahmeausfälle und die der Kommunen von jährlich 2,3 Milliarden Euro würden mit 1,2 Milliarden Euro nicht hinreichend ausgeglichen. Die Bundesregierung kündigte an, am Mittwoch werde das Kabinett den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag mit der Suche nach einem Kompromiss beauftragen.

Nach der Logik des Steuertarifs rutscht ein Arbeitnehmer selbst bei einer kleinen Lohn- oder Gehaltserhöhung in Höhe des Preisanstiegs oft in einen höheren Steuertarif. Unter dem Strich hat der Steuerzahler dann ein geringeres Realeinkommen. Dieses Phänomen wird als kalte Progression bezeichnet.

+++ Geld ist genug da +++

Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), meinte, der Abbau der kalten Progression "dient offenkundig nur dem Zweck, die schwächelnde FDP über Wasser zu halten". Der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, es gebe das "klare Signal", dass die Länder einer Steuersenkung nur bei Gegenfinanzierung zustimmen werden. Allerdings lehnte der Bundesrat dafür eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer von 42 auf 49 Prozent ab. Das hatten rot-grün regierte Länder beantragt.

Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler kritisierte die Blockadepolitik von SPD und Grünen. "Beim Abbau der kalten Progression geht es darum, mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen", sagte der Wirtschaftsminister der "Welt". "Die Blockade von SPD und Grünen ist deshalb unverantwortlich."

Außerdem hat der Bundesrat die Regierungspläne zur Kürzung der Solarförderung durchkreuzt. Damit haben auch unionsgeführte Landesregierungen dem Umweltminister und NRW-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen (CDU) eine Schlappe zugefügt. Zwei Tage vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen stimmten CDU-Ministerpräsidenten vor allem aus Ostdeutschland gegen Röttgens Vorhaben und setzten ein Vermittlungsverfahren durch. Mit Zweidrittelmehrheit forderten sie eine "grundlegende Überarbeitung" des Gesetzes. Es sieht unter anderem Förderkappungen von 20 bis nahezu 40 Prozent vor.

Wirtschaftsminister Rösler zeigte sich enttäuscht über den Koalitionspartner: "Ich bedaure sehr, dass es der CDU nicht gelungen ist, die Reihen fest zu schließen." Röttgen kündigte an, man werde im Ausschuss rasch eine Lösung finden. Die Branche brauche Planungssicherheit.

Im Bundesrat stimmten unter anderem Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Thüringen für den Vermittlungsausschuss. In den ostdeutschen Ländern liegt der Schwerpunkt der Solarindustrie, die die asiatische Billigkonkurrenz und die Förderkürzungen für ihre Krise verantwortlich macht. Eine Reihe von Pleiten wie die des einst größten Modulproduzenten Q-Cells waren die Folge. Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann warnte davor, mit den Einschnitten eine Zukunftsbranche zu zerstören. "Mit diesem Gesetz wird die Erfolgsgeschichte hochgradig gefährdet", sagte er. "Die Absenkung der Förderung schießt weit über das Ziel hinaus." Das Vermittlungsverfahren mit Bundestag und Bundesrat kann sich nun Monate hinziehen, der Ausgang ist ungewiss. Sollte es kein Vermittlungsergebnis geben, könnte der Bundestag mit absoluter Mehrheit das ursprüngliche Gesetz doch noch durchsetzen. Daher sorgte an den Börsen das vorläufige Scheitern des Gesetzes bei den Solarwerten nicht für einen Aufschwung.

Die rückwirkende Kürzung ab April, die der Bundestag gebilligt hat, sollte den zuletzt starken Neubau von Anlagen bremsen. Durch den Preisdruck aus Asien sanken die Preise für Anlagen noch schneller als die Förderkürzungen. Der Marktanteil deutscher Produzenten auf dem Weltmarkt schrumpfte rapide, obwohl sie zumindest teilweise vom Schlussverkaufsboom vor den geplanten neuen Kürzungen profitierten. Verbraucherschützer und auch die deutsche Industrie verteidigten die Kürzungen der Subventionen, da die Solarhilfen durch eine Umlage von allen Stromkunden bezahlt werden müssen. Zuletzt waren dies über sechs Milliarden Euro im Jahr.

Der Bundesverband der deutschen Industrie nannte die Entscheidung des Bundesrates ein beunruhigendes Signal. "Das Fördersystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes stößt schon längst an seine Grenzen", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Außerdem stimmte der Bundesrat der Einführung der "Blauen Karte EU" zu. Diese sollen Ausländer erhalten, die einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation besitzen und ein Arbeitsverhältnis haben, mit dem ein Bruttogehalt von mindestens 44 800 Euro erzielt wird. Für Mangelberufe ist die Gehaltsgrenze noch niedriger: Für Naturwissenschaftler Ingenieure, Ärzte und IT-Fachkräfte beträgt sie knapp 35 000 Euro pro Jahr.