Der Termin werde in Abstimmung mit allen Beteiligten gesucht, so der Chef des Hauptstadtflughafens. Air Berlin will nicht vor November eröffnen.

Schönefeld/Berlin. Am Montag kommender Woche will die Berliner Flughafengesellschaft den neuen Zeitrahmen für die Eröffnung des Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg bekanntgeben, kündigte Flughafen-Chef Rainer Schwarz an. In der Luftfahrt- und Tourismusbranche wird der Monat Oktober als realistischer Termin zur Inbetriebnahme des neuen Airports in Schönefeld gehandelt. Air Berlin als wichtigster Kunde will allerdings möglichst nicht vor November eröffnen. Auch die Lufthansa sieht die Abwicklung ihres für den neuen Flughafen angekündigten zusätzlichen Verkehrs auf dem Airport Tegel kritisch.

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„Wir hoffen, Anfang nächster Woche den neuen Eröffnungstermin des Flughafens bekanntgeben zu können“, sagte Flughafenchef Schwarz am Mittwoch beim „Tag des Tourismus 2012“ in Berlin vor Branchenvertretern. Der neue Termin werde in enger Abstimmung mit allen beteiligten Firmen gesucht. Einen ungefähren Zeitraum wollte Schwarz nicht nennen. Mit Blick auf eine anvisierte Eröffnung im August sagte er, dass kein Termin gewählt würde, der vielleicht politisch gewünscht, aber aus technischen Gründen nicht zu halten sei. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte am Dienstag Ende August als möglichen neuen Termin zur Inbetriebnahme genannt. Die ursprünglich für 3. Juni geplante Eröffnung war zuvor wegen Mängeln am Brandschutzsystem überraschend abgesagt worden.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte dem „Tagesspiegel“ zur Termin-Frage: „Für diese Einschätzung ist es zu früh, uns ist jetzt wichtig, dass wir einen realistischen Termin benennen.“ Zudem haben Teilnehmer einer Sitzung des Bundestagsverkehrsausschusses dem Blatt bestätigt, dass es keine große Eröffnungsfeier für den neuen Flughafen geben wird. Demnach sagte Staatssekretär Rainer Bomba: „Wenn man 40.000 Leute einmal auslädt, lädt man sie nicht wieder ein.“ Auch Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa bezweifelt eine Eröffnung des Airports im August. „Es gibt noch mehr Probleme“, sagte er im 105'5 Spreeradio und nannte den passiven Schallschutz. Deshalb sollte man „nicht schon wieder ambitionierte Pläne nennen und sagen, wir gehen nach der Sommerpause in Betrieb“.

Air Berlin will den neuen Hauptstadtflughafen nicht vor November eröffnen. Er freue sich weiterhin auf den Airport und wolle seinen Kunden dort einen besseren Service bieten, teilte Hartmut Mehdorn, der Chef der zweitgrößten deutschen Airline, am Mittwoch mit. „Dazu brauchen wir aber einen neuen verlässlichen Eröffnungstermin, der möglichst nach unserem Sommerflugplan liegt.“ Dieser endet am 31. Oktober. Für Fluggäste ändere sich zunächst nichts. Statt vom neuen Flughafen fliege Air Berlin wie gewohnt vom Flughafen Tegel. Jede Buchung bleibe bestehen, alle betroffenen Fluggäste würden über ihre Flüge persönlich informiert, sagte Mehdorn. Die Situation sei allerdings „außerordentlich knifflig“, da mindestens eine Million Fluggäste informiert werden müssten. Außerdem müsse das auf den neuen Haupstadtflughafen ausgerichtete größere Flugprogramm von Air Berlin ausgerechnet in der Sommersaison jetzt mit alter Infrastruktur am Flughafen Tegel bewältigen werden, sagte Mehdorn.

Auch die Lufthansa will ihr stark ausgebautes Flugangebot von Berlin aus ab Tegel umsetzen. „Wir müssen zwischen 500.000 und eine Million Passagiere informieren“, sagte Lufthansa-Vizepräsident Oliver Wagner. Zur Durchführung aller Flüge biete Tegel die notwendigen Kapazitäten. Es werde schlimmstenfalls zu Verschiebungen von Abflugzeiten im Minutenbereich kommen, sagte Wagner.

Berlins Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos) äußerte sich überzeugt, dass Berlin der Welt zeigen werde, wie aus der verschobenen Flughafeneröffnung das Beste zu machen sei. Sie sehe nach wie vor in dem neuen Flughafen große Potenziale für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Berlin. Die Hauptstadt müsse als Kongressstandort gestärkt werden. Auch dafür seien mehr internationale direkte Flugverbindungen unerlässlich. Berlins Tourismuswerber rechnen derweil nicht mit Nachteilen für ihr Geschäft wegen der verspäteten Flughafeneröffnung. Tourismuschef Burkhard Kieker sagte, er sehe in der Absage des Eröffnungstermins am 3. Juni keine „Katastrophe für den Hauptstadttourismus“.

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Die Berliner Grünen forderten Wowereit inzwischen auf, einen Krisengipfel zur Flughafen-Pleite einzuberufen. Jetzt müsse schnell gehandelt werden, um den Schaden für die Wirtschaft, die Fluggesellschaften und Fluggäste sowie die Beschäftigten an den Flughäfen möglichst gering zu halten, sagte Fraktionschefin Ramona Pop. Der Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen betonte, die persönliche Haftung von Geschäftsführung und Aufsichtsrat müsse umgehend geprüft werden. Der Landesrechnungshof sollte sich der Sache annehmen. Koeppen nannte einen Schaden von 50 Millionen Euro als „absolute Untergrenze“.

Nach Angaben von Schwarz wurden ihm die Mängel beim Brandschutz erst am Freitag mitgeteilt. Zugleich räumte er im Radiosender 104.6 RTL ein, dass es in der Vergangenheit eine Reihe von technischen Schwierigkeiten gegeben habe wie die automatische Türsteuerung. Nach Medienberichten wollte die zuständige Behörde, der Landkreis Dahme-Spreewald, die Inbetriebnahme nicht genehmigen.

Rechnungshöfe erwägen Prüfung von Flughafen-Desaster

Die Verschiebung des Eröffnungstermins für den neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld beschäftigt möglicherweise die Rechnungshöfe beim Bund sowie in den Ländern Berlin und Brandenburg. Der Bund und die beiden Länder sind Gesellschafter der Flughafengesellschaft. Es wäre sinnvoll, wenn sich die Kontrollbehörden über ihr Vorgehen abstimmten, sagte der Präsident des Landesrechnungshofes Brandenburg, Thomas Apelt, am Donnerstag in Potsdam. Beispielsweise ließe sich prüfen, wie sich der Aufsichtsrat von der Geschäftsführung über das Flughafen-Projekt informieren ließ.

Apelt warnte jedoch angesichts der eingetretenen Lage vor Aktionismus: „Jetzt sofort loszulegen, macht keinen Sinn. (...) Das Kind liegt im Brunnen.“ Nach Darstellung von Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) lassen sich die Mehrkosten durch die verschobene Eröffnung des Flughafens Willy Brandt derzeit nicht seriös beziffern. Dafür müssten etwa die Einnahmeverluste in der Zeit bis zu dem noch gar nicht bekannten neuen Eröffnungstermin berechnet werden, sagte Markov vor dem Haushaltsausschuss im Potsdamer Landtag.

Außerdem sei zu überprüfen, welche Auswirkungen der Verzug auf Fluggesellschaften in Gestalt ausfallender Starts und Landungen hat oder wie hoch die zusätzlichen Belastungen aus Kreditverträgen sind. Dazu kämen Verträge mit Hotels, wo Gäste umbuchen müssten. Andererseits könnten mit der Inbetriebnahme des neuen Airports die Passagierzahlen steigen und sich so Mehreinnahmen ergeben, die gegenzurechnen wären, meinte Markov.

Zur gegenwärtigen Finanzlage bei dem Milliardenprojekt bemerkte der Minister: „Der zur Verfügung stehende Kreditrahmen ist gegenwärtig noch nicht ausgeschöpft.“ Im Gesellschaftervertrag gebe es keine Verpflichtung, Geld nachzuschießen. Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, dem Markov angehört, sei immer über den Baufortschritt und die eingeplanten finanziellen Aufwendungen informiert worden.

Mit Material von dpa/dapd