Niedersachsen und Schleswig-Holstein wollen Entlastungspaket zustimmen. Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern verweigern sich.

Berlin. Im Herbst 2009, ganz am Anfang der schwarz-gelben Bundesregierung, war die Rede von 24 Milliarden Euro. Um diese stattliche Summe wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle bis 2013 die Steuerzahler entlasten. Der Betrag wurde auf Druck der Liberalen in den Koalitionsvertrag geschrieben, aber auf Druck der Union wiederum unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Die Euro-Krise und ihre Folgen für die Haushalte erübrigten die Pläne. Dennoch: Am 11. Mai will die Koalition wenigstens ein bisschen liefern. Die vom Kabinett und Bundestag bereits beschlossene Steuerentlastung in Höhe von sechs Milliarden Euro steht im Bundesrat zur Abstimmung. Doch die Chancen, dass dieser letzte Rest des einstigen schwarz-gelben Prestigeprojekts in der rot-grün dominierten Lämmerkammer Zustimmung erfährt, stehen schlecht.

Im Abendblatt-Interview hatte Merkel bereits die Länder eindringlich davor gewarnt, die Koalitionspläne scheitern zu lassen - und auf das Grundgesetz verwiesen: Die Erhöhung der steuerlichen Grundfreibeträge sei durch verfassungsrechtliche Vorgaben vorgeschrieben. Doch die SPD-regierten Länder lassen sich davon nicht beeindrucken. Aus dem Hamburger Rathaus war zu erfahren, dass man im Bundesrat den Plänen nicht zustimmen werde. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident und Regierungschef einer rot-schwarzen Koalition erteilte Merkel ebenfalls eine Absage: "Aus Mecklenburg-Vorpommern wird es keine Zustimmung zum Steuerpaket der Bundesregierung geben. Wir haben in den Haushalten des Bundes und der Länder keinen Spielraum für Steuergeschenke", sagte Erwin Sellering (SPD) dem Abendblatt. Er sagte weiter, nach seinem Eindruck gehe es bei diesem Steuerpaket vor allem darum, die angeschlagene FDP über Wasser zu halten. "Ich halte es für vorgeschoben, wenn Frau Merkel jetzt mit dem steuerfreien Existenzminimum argumentiert. Wenn es ihr allein darum gehen würde, hätte sie diesen Punkt aus dem Steuerpaket herausgenommen und das Gespräch mit der Opposition gesucht. So ist das Verhalten von Frau Merkel unglaubwürdig", begründete er die Ablehnung. Das Gesetz sieht einen höheren Grundfreibetrag und eine Tarifänderung vor, um die sogenannte kalte Progression abzumildern. Die Maßnahmen sollen 2013 und 2014 greifen.

Anders als Sellering und Bürgermeister Olaf Scholz zeigte sich der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, prinzipiell gesprächsbereit: "Ich lasse mit mir über die kalte Progression reden. Aber dann müssen auch wirklich die niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden", sagte Kretschmann dem Abendblatt. Zweitens dürften in der Summe die Steuereinnahmen nicht sinken, verlangte der Regierungschef. "Wenn wir an der einen Stelle auf Einnahmen verzichten, müssen wir es an anderer Stelle kompensieren, zum Beispiel über den Spitzensteuersatz oder andere Steuererhöhungen. Darüber im Vermittlungsausschuss zu verhandeln, kann ich mir vorstellen. Hier muss Schwarz-Gelb Angebote vorlegen."

+++ Merkel: "Kooperation wird den Norden voranbringen" +++

Zumindest die von CDU und FDP regierten Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein signalisierten nach den Äußerungen der Kanzlerin, dass sie den Steuerentlastungen definitiv zustimmen werden. Im Rahmen der Steuervereinfachung auch die kalte Progression spürbar abzumildern sei ein sinnvolles Vorhaben, "das wir in Niedersachsen unterstützen", sagte Ministerpräsident David McAllister (CDU) dem Abendblatt. "Den Grundfreibetrag anzuheben ist verfassungsrechtlich geboten - und muss ohnehin spätestens zum 1. Januar 2014 erfolgen." Es gehe hier auch um eine Grundfrage der Gerechtigkeit in der Steuerpolitik. "Es kann doch nicht sein, dass jemand, der eine Lohnerhöhung erhalten hat, in eine höhere Progressionsstufe rutscht und der Staat ihm den größten Teil wegnimmt."

Eine Sorge, die auch Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) umtreibt. Preissteigerungen und Tariferhöhungen führten dazu, dass ein Durchschnittsverdiener schon bald den Spitzensteuersatz zahle, sagte er dem Abendblatt. Das könne niemand wollen. Er kündigte an: "Wir stimmen der Milderung der sogenannten kalten Progression zu. Denn hier besteht Handlungsbedarf." Sie sei die einzige Steuererleichterung, die sich bereits selbst verdient habe. Die Milderung der kalten Progression sei aber nur ein erster Schritt hin zu einem neuen Steuerkonzept mit einfachen Tarifen und weniger Ausnahmeregelungen, forderte Wiegard. "Wir brauchen eine Steuerreform aus einem Guss, die alle längst bekannten Schwächen des deutschen Steuerrechts beseitigt."

Während bei Steuern Einigkeit zwischen Union und FDP herrscht, werden die Kämpfe um die mögliche Einführung einer Lohnuntergrenze für tariflose Bereiche immer heftiger geführt. Nachdem Merkel im Abendblatt angekündigt hatte, das Thema im Koalitionsausschuss behandeln zu wollen, wiesen die Liberalen den Vorstoß entschieden zurück. "Die Wirtschaft in Deutschland floriert, die Lage am Arbeitsmarkt ist ausgesprochen gut. Wir wollen und brauchen keine Wachstumsbremse Mindestlohn", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.