Barcelona. Die Unabhängigkeitsbefürworter liegen bei den Parlaments-Neuwahlen in Katalonien klar vorn. Die Wahlbeteiligung ist ein neuer Rekord.

Bei der Neuwahl in Katalonien haben die separatistischen Parteien zusammen erneut die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament von Barcelona errungen. Das teilte die Wahlbehörde nach Auszählung von fast allen Stimmen mit.

Die Parteien könnten 70 der insgesamt 135 Abgeordneten stellen. Dies wäre ein schwerer Rückschlag für den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Er hatte gehofft, dass die Separatisten aus der Neuwahl geschwächt hervorgehen und der Konflikt mit der wohlhabenden Region entschärft wird.

Fast 82 Prozent der 5,5 Millionen wahlberechtigten Katalanen waren zur Wahl gegangen – ein neuer Rekord, der zeigt, wie wichtig den Bürgern die Unabhängigkeitsfrage ist.

Puigdemont: „Spanischen Staat bezwungen“

Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont, der sich derzeit in Brüssel aufhält um einer möglichen Verhaftung zu entgehen, feierte die verteidigte absolute Mehrheit: „Der spanische Staat wurde bezwungen“, sagte er vor Journalisten und Anhängern in der belgischen Hauptstadt. Puigdemont will in seine Heimat zurückkehren, falls er vom Parlament zum Präsidenten gewählt wird. „Rajoy und seine Alliierten haben verloren und von den Katalanen eine Ohrfeige bekommen“, sagte er. Madrid habe die Wahl verloren, „mit der es den Putsch legalisieren wollte“.

Puigdemont verfolgt Katalonien-Wahl von Brüssel aus

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    Auch die linksnationalistische Partei ERC des in U-Haft sitzenden Spitzenkandidaten Oriol Junqueras schnitt gut ab und holte 32 Sitze. Ihm werden ebenso wie Puigdemont Rebellion und Aufruhr vorgeworfen, es drohen lange Haftstrafen.

    Die Gegner der Unabhängigkeit verpassten die absolute Mehrheit überraschend deutlich. Umfragen hatten zuvor lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Separatisten prognostiziert. Dennoch ging die liberale Partei Ciudadanos der Spitzenkandidatin Inés Arrimadas als eigentlicher Gewinner aus der Wahl hervor.

    Keine Chance auf Koalition für Cuidadanos

    Ciudadanos ist strikt gegen eine Loslösung der Region von Spanien und erzielte 37 Sitze – jedoch gab es wegen des schlechten Abschneidens der möglichen Koalitionspartner keine Chance auf eine Regierungsbildung.

    „Der historische Triumph von Arrimadas kann die Unabhängigkeitsbestrebungen nicht aufhalten“, schrieb die Zeitung „El Mundo“. Die Anhänger der 36-Jährigen feierten in der Nacht dennoch den Sieg der Partei und riefen immer wieder: „Wir sind Spanier!“. Arrimadas jubelte: „Zum ersten Mal hat eine verfassungstreue Partei die Wahl gewonnen!“

    Puigdemont-Partei dürfte Separatisten-Lager anführen

    Die Zentralregierung in Madrid hatte in einem für Spaniens Demokratie beispiellosen Schritt die separatistische Regierung Ende Oktober entmachtet und Neuwahlen angesetzt. Der abgesetzte Regierungschef Carles Puigdemont war daraufhin nach Belgien geflüchtet. Bei einer Rückkehr nach Spanien würde Puigdemont allerdings wohl festgenommen.

    Er hatte die Unabhängigkeit der Region ausgerufen und damit das Eingreifen der Zentralregierung ausgelöst. Bereits das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober war von der spanischen Justiz als illegal kassiert worden. Die Verfassung Spaniens von 1978 sieht eine Abspaltung einer Region nicht vor.

    Umfragen hatten auf enges Rennen hingedeutet

    Zuletzt hat es vonseiten der Unabhängigkeitsbefürworter Signale der Entspannung gegeben. Rajoy hoffte daher auf eine Rückkehr der Region zur Normalität. Ein Sieg der Separatisten könnte dagegen mehr Zweifel an seiner Krisenpolitik aufkommen lassen.

    Umfragen hatten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gegnern und Befürwortern einer Abspaltung hingedeutet.

    Kataloniens Wirtschaftsleistung ist höher als die von Portugal

    Katalonien ist etwa so groß wie Belgien und liegt im Nordosten des Landes an der Grenze zu Frankreich. Die Region hat eine eigene Sprache und Kultur und ist vergleichsweise wohlhabend. Die Wirtschaftsleistung ist höher als die Portugals und trägt maßgeblich zum spanischen Wachstum bei. Der Konflikt um die Unabhängigkeit hat jedoch zur Verunsicherung geführt: Zahlreiche Firmen in der Region haben ihren Sitz in andere Regionen verlegt.

    An den Märkten wurde die Abstimmung mit Spannung verfolgt: „Die Wahl in Katalonien ist das letzte große Ereignis für die Börsianer in diesem Jahr“, sagte Fondsmanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Ein starkes Ergebnis der Unabhängigkeitsbewegung könne noch einmal für Verunsicherung an den Märkten sorgen. (dpa)