Kairo/Wien. Kurz vor Weihnachten trifft sich die Syrien-Konferenz. Ein Waffenstillstand zwischen Assad-Regime und Rebellen scheint möglich.

Die diplomatische Taktzahl steigt: Kurz vor Weihnachten trifft sich die Syrien-Konferenz bereits zum dritten Mal – diesmal in New York. Anfang Januar soll ein international vereinbarter Waffenstillstand zwischen dem Assad-Regime und den nicht islamistischen Rebellen in Kraft treten. Noch klingt dieser ehrgeizige Fahrplan nach fast fünf Jahren Bürgerkrieg, 250.000 Toten und zwölf Millionen Flüchtlingen wie eine Utopie.

Doch die Verhältnisse in dem geschundenen Land ändern sich genauso wie die Konstellationen der regionalen und internationalen Protagonisten – durch den Eintritt Russlands in die Kämpfe, durch das kaltblütige IS-Massaker in Paris und durch die endlosen Kolonnen von Flüchtlingen, die sich in den letzten Monaten zu Fuß über den Balkan oder per Schlauchboot über das Mittelmeer nach Europa durchschlugen. Der alte Kontinent sieht sich vor der größten humanitären Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Und schon jetzt tun sich zwischen den Mitgliedsstaaten Gräben auf, die 2016 durch ein weiteres Jahr Völkerwanderung in destruktiven Zerwürfnissen und einem breiten nationalistischen Rechtsruck enden könnten.

Putin will Assad nicht über Jahre auf den Beinen halten

Genauso wie Europa sehen auch die USA und Russland die Terrorgefahr durch den „Islamischen Staat“ inzwischen als hochvirulente, globale Bedrohung, der alle gemeinsam entgegentreten müssen. Und so wundert es nicht, dass Washington und Moskau sich bei dem bisherigen heißen Eisen Baschar al-Assad hinter verschlossenen Verhandlungstüren aufeinander zubewegen. Putin hat keinerlei Ambitionen, seinen schwächelnden syrischen Verbündeten künftig über Jahre hinweg mit russischen Truppen und Kampfflugzeugen militärisch auf den Beinen zu halten.

Hinzu kommt, dass die in Syrien verwickelten Regionalmächte wegen anderer Konflikte kompromissbereiter scheinen als zuvor. Saudi-Arabien hat sich in einen kostspieligen und aussichtslosen Krieg im Jemen verrannt. Die Türkei gerät wegen ihrer zwielichtigen Rolle gegenüber dem „Islamischen Staat“ international immer mehr unter Druck. In Washington und Brüssel ist die Geduld vorbei mit dem flagranten Rohölschmuggel, dem Dschihadistentransit und dem IS-Nachschub über die türkische Grenze zum islamischen Kalifat. Die dritte Regionalmacht Iran sucht nach dem Ende des Atomstreits einen Neuanfang mit dem Westen. Teheran wird sich zwar genauso wenig wie Moskau seine alteingesessenen Interessen in Syrien abhandeln lassen. Aber die iranische Führung könnte den Assad-Teil des Syrienproblems ebenfalls neu kalkulieren. Vor allem, wenn das den Weg freimacht zu einer gemeinsamen internationalen Front gegen den „Islamischen Staat“.