Berlin. Der Bundestag hat den dritten offensiven Kampfeinsatz der Bundeswehr-Historie beschlossen. Was man über den Syrien-Einsatz wissen muss.

Die Bundeswehr startet den dritten offensiven Kampfeinsatz ihrer Geschichte. Der Bundestag gab am Freitag das Startzeichen für die Beteiligung von bis zu 1200 Soldaten am Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Das muss man wissen:

Wann geht es los?

Sehr schnell. Die ersten zwei von sechs Tornado-Aufklärungsjets werden nächste Woche auf die südtürkische Luftwaffenbasis Incirlik verlegt, auch Techniker und Bodenpersonal. Mit der Erkundung von Bombenzielen in Syrien und Irak wird aber erst Anfang Januar begonnen. Offizielle Begründung: Die Luftwaffen-Einheit, die die Daten auswertet, nimmt gerade an einem Nato-Großmanöver in Spanien teil – Soldaten und Geräte müssen danach in die Türkei gebracht werden. Ein Tank-Airbus, der ebenfalls nächste Woche nach Incirlik kommt, wird schon kurzfristig eingesetzt – als „fliegende Tankstelle“ für Kampfbomber der Anti-IS-Koalition. Die Fregatte „Augsburg“, die bislang im Mittelmeer in Antischleusermission unterwegs ist, schließt sich in den nächsten Tagen dem französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ als Begleitschutz an: Der Verband wird ins Arabische Meer verlegt und dort den Einsatz französischer Kampfjets absichern.

Wie viele Soldaten schicken wir?

Der Bundestag hat eine Obergrenze von 1200 Soldaten beschlossen, das wäre der größte laufende Einsatz. Zu Beginn werden aber wohl nur 900 Soldaten benötigt: Allein der Tornado-Einsatz erfordert 500 Soldaten, Logistik, Techniker und Stabspersonal eingeschlossen, die Luftbetankung noch einmal 150 Soldaten. Sie alle werden auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik stationiert, von wo aus bereits die USA Angriffe gegen IS-Stellungen in Syrien fliegt; eine erwogene Stationierung auch in Jordanien wurde vorerst verworfen. Rund 300 Soldaten umfasst die Besatzung der Fregatte. Hinzu kommen Offiziere für das Kommando in Katar. Die Bundeswehr plant zudem mit einem Personalpuffer für Kontingentwechsel.

Was sollen die Tornados leisten?

Die sechs Jets sind Kern der deutschen Mission: Sie sollen Ziele für die mehr als hundert Kampfbomber erkunden, die zehn Staaten der Anti-IS-Koalition über dem Irak und Syrien einsetzen. Angeführt von den USA hat die Koalition in 14 Monaten bislang 8000 Luftangriffe geflogen, ohne den IS entscheidend zu schwächen. Die Zielaufklärung soll jetzt verbessert werden, auch die Briten schicken dafür Flugzeuge.

Es sollen immer zwei Tornados in der Luft sein, zwei in Einsatzbereitschaft zur Ablösung, zwei weitere als Reserve. Die Aufklärungsjets verfügen über hochsensible Technik, die in Echtzeit Bilder an die Bodenstation funkt. Sie sind auch mit Raketen und einer Bordkanone bestückt, sollen sich aber an den Luftangriffen nicht beteiligen. Unterstellt sind die Kampfjets und der Tank-Airbus den Kommandostrukturen der Anti-IS-Koalition: Zentrale in Florida, Hauptquartier in Kuwait, Kommando für Luftstreitkräfte in Katar. In Katar werden alle Aufträge für die Tornados erteilt. Dort sollen deutsche Offiziere dafür sorgen, dass die Bundeswehrflüge stets vom Auftrag gedeckt sind. Und sie sollen die Aufklärungsdaten sichten und entscheiden, was an Verbündete weitergegeben wird. Ein ähnliches Verfahren gilt für die deutsch-französische Satellitenaufklärung.

Erhalten auch die Russen Bilder?

Nein, nur die am Luftkampf beteiligten Staaten der Anti-IS-Koalition (etwa USA, Frankreich, Großbritannien, Türkei, Kanada, Australien). Mit Russland, das seine Luftwaffe ebenfalls über Syrien einsetzt, ist aber ein „deconflicting“ verabredet: Man teilt sich gegenseitig mit, wer wann in welchem Luftraum unterwegs ist. Die Türkei soll von der Bundeswehr nur Zieldaten erhalten, die nicht für Angriffe gegen Kurdenstellungen genutzt werden können.

Wie gefährlich ist der Kampf?

Ein Risiko besteht vor allem für die Zweimannbesatzungen der Tornados, die praktisch in der ersten Reihe agieren. „Der Einsatz ist sicher gefährlich, aber die Soldaten sind gut vorbereitet“, sagt der Kommodore des Luftwaffengeschwaders 51 in Jagel, Michael Krah. Von dem Stützpunkt in Schleswig-Holstein kommen vier Maschinen, zwei aus Büchel in Rheinland-Pfalz. Die Tornados sind auch im Tiefflug unterwegs, zumindest dann könnten sie Ziel für den IS sein, der über Flugabwehrraketen verfügt. Denkbar ist ein versehentlicher Abschuss durch Assad-Truppen, deren Gebiete die Maschinen zum Teil überfliegen müssen, oder auch ein technischer Defekt. Für die Rettung stünden spezielle US-Evakuierungsteams bereit, die in der Türkei stationiert sind. Doch wird in der Bundeswehr offen darüber gesprochen, dass der IS einen abgestürzten jordanischen Piloten bei lebendigem Leib verbrannt hat.

Was ist das Ziel des Einsatzes?

Die Bundesregierung nennt als Auftrag der Allianz, den Terror durch den IS zu stoppen und zu verhüten – die Terrororganisation soll aus Syrien und Irak vertrieben, Rückzugsgebiete versperrt werden. Derzeit wird verstärkt die Ölinfrastruktur des IS bombardiert. Allerdings ist klar, dass der IS durch Luftschläge allein nicht zu besiegen ist. Die Strategie des Westens zielt jetzt darauf ab, einen Waffenstillstand in Syrien zu erreichen und die bisher teilweise verfeindeten Gruppen anschließend gemeinsam am Boden gegen den IS kämpfen zu lassen, während die Allianz aus der Luft Unterstützung leistet. Käme es dazu, was angesichts der Gemengelage völlig offen ist, stünden wohl bis zu 70.000 Kämpfer von Rebellengruppen bereit, dazu womöglich auch Teile der syrischen Armee – gegen IS-Kämpfer, deren Stärke US-Geheimdienste auf etwa 30.000 schätzen, die aber als sehr effizient und diszipliniert gelten. Ein blutiger und verlustreicher Kampf würde es auf jeden Fall.

Müssen wir Bodentruppen schicken?

Mit dem aktuellen Bundestagsmandat ist das ausgeschlossen. Fände sich eine regionale Allianz für den Bodenkampf, wäre es auch nicht notwendig. Allerdings wird in der Bundesregierung intern durchaus erwogen, dass sich die Bundeswehr später an einer UN-Mission zur Überwachung eines möglichen Waffenstillstands in Syrien beteiligen könnte. Der Bundeswehrverband erklärt deshalb bereits, ein Einsatz deutscher Bodentruppen sei perspektivisch nicht ausgeschlossen.