Zuvor schwor der Ministerpräsident seine Partei auf die Wahl ein. Unterstützung bekam er von der Opposition. Der Live-Blog.

Das griechische Parlament hat am Mittwochabend auf Wunsch der Gläubiger über ein erstes großes Spar- und Reformpaket abgestimmt. Die Billigung im Eilverfahren war eine Voraussetzung dafür, dass die Gläubiger überhaupt Verhandlungen mit Athen über neue Finanzhilfen aufnehmen. Es geht um bis zu 86 Milliarden Euro. Doch im Regierungslager regte sich heftiger Widerstand. Nur wenige Stunden nach der Abstimmung wollen sich die Euro-Finanzminister in einer Telefonkonferenz über das Ergebnis beraten.

In einem TV-Interview warb Ministerpräsident Alexis Tsipras am Dienstagabend eindringlich für die Zustimmung zu den Maßnahmen, gegen die er zuvor vergeblich zu Felde gezogen war. Dabei wandte er sich insbesondere an die Kritiker in der eigenen Linkspartei Syriza. Es gebe einige, die sich über einen Sturz seiner Regierung freuen würden, sagte Tsipras im Sender ERT1. „Jeder muss jetzt seine Verantwortung übernehmen.“

Vorgezogene Wahlen schloss Tsipras nicht aus. „Nach dem Ende dieses Verfahrens (der Billigung durch das Parlament) werde ich sehen, wie es weitergeht“, sagte er. „Ich werde niemandem mit dem Messer am Hals drohen.“ Verfolgen Sie den Live-Blog bei abendblatt.de.

Ausschreitungen bei Demonstration in Athen

Bei einer Demonstration vor dem griechischen Parlament ist es am Mittwochabend zu Ausschreitungen gekommen. Eine Gruppe von rund 200 Autonomen mischte sich unter eine friedliche Demonstration von Gegnern des Sparprogramms. Sie lösten sich aus der Menge und warfen mehrere Brandflaschen auf Polizisten, wie das griechische Fernsehen berichtete. Die Beamten setzten massiv Tränengas ein. Friedliche Demonstranten flüchteten in Panik. Das griechische Parlament sollte am Abend über neue Spar- und Reformgesetze abstimmen. Die Billigung im Eilverfahren ist Voraussetzung dafür, dass die Kreditgeber mit Athen über neue Finanzhilfen verhandeln.

Französisches Parlament segnet Rettungsplan ab

Frankreichs Nationalversammlung hat die Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfsprogramm unterstützt. Die Abgeordneten sprachen sich am Mittwoch mit großer Mehrheit für den in Brüssel vereinbarten Plan der Eurostaaten aus. Die Zustimmung war anders als in Deutschland keine Pflicht für den Beginn der Verhandlungen, sondern die Debatte war auf Wunsch der sozialistischen Regierung angesetzt worden. 412 Abgeordnete stimmten für die Erklärung von Premierminister Manuel Valls, 69 dagegen.

Auch die konservative Opposition stellte sich zum Großteil hinter das Verhandlungsergebnis des Sondergipfels, übte aber scharfe Kritik am Vorgehen des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. „Diese Einigung ist kein Blankoscheck“, beteuerte Regierungschef Valls. An Kritiker aus dem linken Lager gerichtet sagte er zugleich, es gehe nicht darum, Griechenland zu bestrafen.

Von dort gab es auch kritische Stimmen zum deutschen Auftreten in den Verhandlungen. Der Fraktionschef der Grünen, François de Rugy, warf Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble vor, den Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone zu wollen.

Tsipras droht seinen Abgeordneten mit Rücktritt

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras soll den Abgeordneten seiner Partei mit Rücktritt gedroht haben, sollten sie am späten Mittwochabend gegen das griechische Sparprogramm stimmen. „Wenn ich eure Unterstützung nicht habe, dann wird es für mich schwierig sein, (auch) morgen Regierungschef zu bleiben“, zitierten übereinstimmend griechische Medien Tsipras.

Vize-Finanzministerin: "Alexis, ich kann nicht mehr"

Noch vor der geplanten Abstimmung im griechischen Parlament trat die Vize-Finanzministerin Nadja Valavani aus Protest gegen die harten Einschnitte zurück: „Alexis, ich kann nicht mehr weitermachen“, schrieb die Varoufakis-Vertraute in einem Rücktrittsbrief an Tsipras. Der griechische Schuldenberg könne ihrer Ansicht „nach nie und nimmer und in aller Ewigkeit“ nicht zurückgezahlt werden.

Berlin hält längere Kredit-Laufzeiten für möglich

Deutlich längere Kredit-Laufzeiten sind aus Sicht der Bundesregierung eine Option, um die Schuldenlast in Griechenland auf ein tragfähiges Niveau zu drücken. Diese Möglichkeit bestehe technisch. „Das ist sicher ein Element, das man in Betracht ziehen kann“, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Jäger, am Mittwoch in Berlin.

Dies werde aber nicht die Lösung sein, wenn es zu einem signifikanten Barwertverlust führe. „Denn dann hätten wir am Ende nichts anderes als einen Schuldenschnitt durch die Hintertür.“ Ein Schuldenschnitt sei nicht mit europäischem Recht vereinbar.

Neue Hoffnungen stützen Dax

Die Hoffnung auf eine Übergangsfinanzierung für Griechenland hat den Dax gestützt. Der deutsche Leitindex drehte ins Plus und stand zur Mittagszeit 0,04 Prozent höher bei 11 521,15 Punkten. „Die Börsenbullen nehmen jeden Hoffnungsschimmer zum Anlass, um wieder Aktien zu kaufen“, sagte Händler Andreas Lipkow vom Vermögensverwalter Kliegel & Hafner.

Frankreich fordert eine Schuldenerleichterungen

Frankreichs Finanzminister Michel Sapin hat die Forderung des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Schuldenerleichterungen für Griechenland unterstützt. „Er sagt, dass man Griechenland helfen muss, dass wir Solidarität brauchen. Aber wir werden Griechenland nicht helfen können, wenn wir dieselbe Schuldenlast (...) beibehalten“, sagte Sapin am Mittwoch in einem Interview des Senders BFMTV. Der IWF rechnet in einem aktuellen Papier vor, dass die gesamten Schulden Griechenlands in den kommenden zwei Jahren auf nahe 200 Prozent der Wirtschaftsleistung klettern würden. Erlaubt sind nach den EU-Regeln für die Währungsunion eigentlich nur 60 Prozent. Hohe dreistellige Werte gelten als nicht tragfähig. Sapin betonte, es gehe dem IWF nicht um einen Schuldenschnitt, sondern um Erleichterungen.

Brüssel schlägt EU-Geld für Brückenfinanzierung vor

Im Kampf gegen Griechenlands drohende Staatspleite schlägt die EU-Kommission vor, bis zu sieben Milliarden Euro aus einem schon länger bestehenden EU-Rettungstopf als Überbrückungskredit einzusetzen. Der Kredit solle an Bedingungen gebunden werden.

Griechische Banken bleiben bis Donnerstag geschlossen

Die griechischen Banken bleiben wegen der schweren Finanzkrise in dem Euro-Land mindestens bis einschließlich Donnerstag geschlossen. Den entsprechenden Ministerialerlass habe Vize-Finanzminister Dimitris Mardas unterzeichnet, teilte das Finanzministerium mit. Die geltenden Kapitalverkehrskontrollen waren Anfang voriger Woche in Kraft getreten. Pro Tag können die Griechen auch weiterhin höchstens 60 Euro von ihren Konten abheben, wie es im Bericht des Staatsradios hieß. Überweisungen ins Ausland sind nur nach einer Genehmigung der Zentralbank und des Finanzministeriums möglich.

Staatsbedienstete streiken gegen Sparprogramm

Aus Protest gegen neue Einsparungen sind die griechischen Staatsbediensteten in einen 24-stündigen Streik getreten. Dem Streik schloss sich das Personal der staatlichen Krankenhäuser an, das nur noch Notfallpatienten behandeln wollte. Auch die griechischen Eisenbahnen (OSE) werden seit Mitternacht für 24 Stunden bestreikt. Einige U-Bahn-Linien in Athen ruhten am Vormittag für drei Stunden, auch zahlreiche Apotheken blieben geschlossen. Die Gewerkschaften riefen für den Nachmittag zu Demonstrationen im Zentrum Athens auf. Am Abend waren Demonstrationen vor dem Parlament in Athen geplant.

Euro fällt wieder unter 1,10 Dollar

Der Euro ist vor wichtigen Abstimmungen des griechischen Parlaments wieder knapp unter die Marke von 1,10 US-Dollar gerutscht. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Dienstag auf 1,1031 (Montag: 1,1049) US-Dollar festgesetzt.Experten gingen zwar davon aus, dass Tsipras eine Mehrheit für den Kompromiss des Euro-Krisengipfels hinter sich bringen kann. Dennoch sprachen Händler von einer nervösen Stimmung am Devisenmarkt. Es sei schwierig, eine Brückenfinanzierung für die kommenden Wochen bis zum Inkrafttreten eines neues Hilfspakets auf die Beine zu stellen. „Das große Aufatmen ist erst gerechtfertigt, wenn auch die Brückenfinanzierung steht“, sagte Esther Reichelt von der Commerzbank.

Grüne rügen Schäuble: In Europa massiven Schaden angerichtet

Die Grünen im Bundestag empören sich über den Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble, dass Griechenland im Notfall mindestens fünf Jahre lang die Eurozone verlassen sollte. Der finanzpolitische Sprecher Gerhard Schick sagte der „Südwest Presse“: „Dass eine deutsche Regierung offen einen Rückschritt in der europäischen Integration anstrebt, ist eine 180-Grad-Wende deutscher Europapolitik seit 1949.“ Die öffentlich gewordenen Plänes Schäubles für einen befristeten „Grexit“ hätten in Europa massiven Schaden angerichtet. „Und zwar über den Tag hinaus.“ So sei noch nie mit einem Partnerland in Europa umgegangen worden.

„Le Monde“: Unrealistisches Reformprogramm für Griechenland

Die französische Tageszeitung „Le Monde“ kommentiert die Einigung über das griechische Reform- und Sparprogramm wie folgt: „Die von Griechenland verlangten Reformen sind so hart und sollen so schnell umgesetzt werden, dass sie – so berechtigt sie auch sein mögen – unrealistisch und nicht durchführbar scheinen. Es geht um Steuern, Renten, Arbeitsmarkt und Haushaltsführung. Auch wenn das Parlament dieses Programm am Freitag verabschieden sollte, so dürfte es Athen kaum gelingen, es in die Tat umzusetzen. Es besteht eine reelle Gefahr, in sechs Monaten vor einer neuen griechischen Krise zu stehen. Da entsteht das Bild einer nicht funktionierenden Eurozone, die die Schuldenfrage eines Landes nicht regeln kann, das nicht einmal zwei Prozent des Reichtums des Clubs ausmacht. Es gab mal eine Zeit, als der Geist Europas mit Intelligenz gleichgesetzt wurde. Das ist lange her.“

US-Finanzminister reist nach Deutschland

US-Finanzminister Jacob Lew kommt wegen der Griechenland-Krise nach Europa. Er wolle von einem Besuch in Afrika aus nach Frankfurt am Main reisen, um mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, über die Lage in dem pleitebedrohten Land zu beraten, teilte das US-Finanzministerium mit. In Berlin wolle er sich am Donnerstag mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble treffen. Anschließend werde er nach Paris zu einem Gespräch mit seinem französischen Kollegen Michel Sapin weiterreisen.