Geert Wilders gilt als Gewinner der Wahl. Jetzt will er auch noch mitregieren. Dennoch suchen Politiker in den Niederlanden nach Koalitionen ohne ihn

Den Haag. Man erkennt ihn sofort. An den hellblond gefärbten Haaren, die er immer glatt nach hinten kämmt. An dem freundlichen Lächeln, das Geert Wilders wie festgefroren ins Gesicht geschrieben ist. Immer wenn er auftaucht, hat er eine Handvoll Bodyguards um sich herum. Seit dem Attentat auf den islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh im Jahr 2004 steht Wilders unter Polizeischutz. Vor allem aber an seinen radikalen Parolen erkennt man den Rechtspopulisten. Im Wahlkampf bekamen Muslime in den Niederlanden täglich zu hören, was Mitmenschen angeblich über ihre Religion denken: Eine "faschistische Ideologie" sei der Islam, sein Prophet "ein Barbar, ein Massenmörder und Pädophiler".

Und er kam offensichtlich mit seiner inszenierten Mission im Kampf gegen die vermeintliche Islamisierung des Landes bei den Wählern an. Dem Rechtspopulisten Geert Wilders ist nach den Erfolgen bei den Europawahlen im vergangenen Jahr und den Kommunalwahlen im März nun ein weiterer Coup gelungen. Bei der Parlamentswahl am Mittwoch stieg seine Partei für die Freiheit (PVV) zur drittstärksten Kraft noch vor den bisher regierenden Christdemokraten von Jan Peter Balkenende auf. Sie erhielt 24 Mandate.

Wilders konnte seine Stimmen im Vergleich zur vergangenen Wahl fast verdreifachen. Dabei sahen ihn letzte Umfragen zuvor auf dem Rückzug. "Wir hatten es mit vielen sogenannten Vorhang-Wählern zu tun. Mit Menschen, die sich nicht offen zu Wilders bekennen und erst in der Wahlkabine ihre Stimme für den Populisten abgeben", sagt Friso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studie an der Universität Münster dem Abendblatt. Das Thema Einwanderung und Integration war in den vergangenen Wochen eingeholt worden von der Euro-Krise und der hohen Staatsverschuldung. "Wilders hat versucht, sein Profil in Wirtschaftsfragen und Sozialpolitik zu schärfen", sagt Wielenga. "Er setzte sich gegen Sparmaßnahmen im Sozialbereich und die Rente ab 67 Jahren ein. Damit fischte Wilders Stimmen auch am linken Rand. Ein Viertel seiner Wähler stammen aus der sozialistischen Partei." Noch in der Wahlnacht betonte Wilders seinen Anspruch, in Den Haag mitzuregieren. Es wäre "nicht demokratisch", so Wilders, wenn die anderen Parteien bei der Regierungsbildung an der Tatsache vorbeigehen würden, dass seine PVV von 1,5 Millionen Niederländern gewählt worden sei. Doch bislang scheint keine der bürgerlichen Parteien bereit, mit Wilders in eine Regierung zu gehen. "Eine Regierung mit Wilders ist nicht in der Lage, die jetzt wegen der Wirtschaftskrise notwendigen Maßnahmen zu ergreifen", so Wielenga.

Auch der Rechtsliberale Mark Rutte ging bisher nicht auf Wilders zu - vor allem wegen dessen Parolen gegen Sparmaßnahmen und Einschnitte im Sozialsystem. Rutte ist der zweite Gewinner dieser Wahl. Seine Partei, die Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), wurde stärkste Kraft und stellt fortan 31 Abgeordnete. Rutte hat die besten Chancen, jetzt als Regierungschef das neue Kabinett zu bilden. Doch das kann sich wochenlang hinziehen. Die Wähler hätten die Politik "vor eine außerordentlich komplizierte Aufgabe" gestellt, hieß es in Kommentaren. Und Verhandlungen um die Macht sind äußerst schwierig - in einem Land mit einem Parlament, das keine Prozent-Hürde kennt und in das nun insgesamt zehn Parteien einziehen.

Rutte bräuchte für eine Mehrheit mindestens drei weitere Partner. Ein Bündnis mit der zweitstärksten Partei, den Sozialdemokraten, wäre vor allem wegen der unterschiedlichen Vorstellungen über Steuererhöhungen und Einsparungen nicht sehr stabil und würde weitreichende Kompromisse erfordern. Die Liberalen haben sich einem strikten Sparkurs verschrieben. Die Sozialdemokraten dagegen wollen langsamere und weniger schmerzhafte Einschnitte, um das Haushaltsdefizit anzugehen, das dieses Jahr 6,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen dürfte. Und dennoch ist der Chef der "Partei der Arbeit", Job Cohen, bereit, Verantwortung zu übernehmen. Eine Koalition aus Rechtsliberalen, Sozialdemokraten und Christdemokraten könnte über 82 der 150 Mandate verfügen. Auf 81 Sitze käme eine sogenannte Lila-Regierung aus VVD, Sozialdemokraten, linksliberalen Demokraten und den Grün-Linken.

Die Niederländer wissen, dass es nun wieder zähe und lange Kämpfe um die Macht werden können. Seit 1946 haben Regierungsbildungen in Holland im Durchschnitt 87 Tage gedauert.