Die Konservativen wollen bis zum letzten Moment vor der Parlamentswahl dagegen kämpfen – und die Sozialisten zittern ums politische Überleben

Athen. Kommt es zu einer historischen Wende in Athen? Nach fast fünf Jahren mit bitteren Entbehrungen müssen die Griechen an diesem Sonntag entscheiden, wie es in dem Krisenland weitergehen soll. Bekommt der amtierende konservative Ministerpräsident Antonis Samaras die Chance, seine Politik zu Ende zu führen, oder übernimmt der Vorsitzende des Linksbündnisses (Syriza), Alexis Tsipras, in Kürze das Steuer? Seine Forderungen nach einem Ende des rigiden Sparkurses haben vorab für erhebliche Unruhe vor allem bei den ausländischen Geldgebern gesorgt.

Das Linksbündnis führt in allen Umfragen mit einem Vorsprung von knapp fünf Prozentpunkten vor der Nea Dimokratia (ND) von Regierungschef Samaras. Ein Sieg der Linken gilt daher als so gut wie sicher. Eine wichtige Besonderheit im griechischen Wahlrecht ist zudem, dass die stärkste Partei zu ihren regulär errungenen Mandaten einen Bonus von 50 Sitzen bekommt. Das soll für Stabilität sorgen. Dennoch ist nicht sicher, ob es für eine absolute Mehrheit für Syriza reicht. Wenn nicht, wird Tsipras eine Koalition bilden und Kompromisse eingehen müssen.

Die Staatsverschuldung Griechenlands stieg im vergangenen Jahr auf 320 Milliarden Euro. Das entspricht fast 30.000 Euro pro Einwohner. Trotz des Schuldenschnitts der Privatgläubiger vor drei Jahren schrumpfte die Wirtschaft während der Rezession um ein Viertel auf jährlich 188 Milliarden Euro, was die Rückzahlung der Schulden weiter erschwert. Die internationalen Hilfskredite sind fast vollständig ausgezahlt. Die Geldgeber-Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) und auch die Bundesregierung in Berlin gehen davon aus, dass auch die künftige Regierung in Athen eingegangene Verpflichtungen einhält. Seit 2010 wurden fast 240 Milliarden Euro aufgebracht, um das Land vor der Pleite zu bewahren.

Insgesamt 22 Parteien und Parteibündnisse treten bei der vorgezogenen Parlamentswahl an, die notwendig geworden war, weil sich die Abgeordneten nicht auf die Neuwahl eines Staatspräsidenten einigen konnten. Den Umfragen zufolge haben acht davon die Chance, die Drei-Prozent-Hürde zu überspringen und ins Parlament einzuziehen:

Nea Dimokratia (ND): Die von Antonis Samaras geführte konservative Partei hat Griechenland 1981 in die damalige Europäische Gemeinschaft (EG) geführt; sie spricht sich vehement für den Verbleib des Landes in der Euro-Zone aus. Der studierte Ökonom Samaras hatte die Wahlen 2012 gewonnen und führt seitdem das Land zusammen mit den Sozialisten als kleinerem Koalitionspartner. Samaras hält am Sparprogramm grundsätzlich fest, tritt angesichts der dramatischen Verschlechterung der sozialen Lage vieler Griechen aber für seine Lockerung ein. Im Fall der Wiederwahl will er keine neuen Schulden machen und das Land mithilfe eines Übergangsprogramms in die Lage versetzen, sich von den Märkten wieder Geld zu leihen. Die ND liegt in allen Umfragen hinter dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza).

Bündnis der radikalen Linken (Syriza): Die Partei von Alexis Tsipras ist der klare Favorit. In jüngsten Umfragen führt sie das Rennen um die Gunst der Wähler mit rund fünf Prozentpunkten Vorsprung vor den Konservativen an. Syriza ist ein Sammelbecken linker Bewegungen, das mit der extrem Linken liebäugelt, aber auch ein politisches Dach für ehemalige Mitglieder der sozialistischen Pasok geworden ist. Syriza fordert einen Schuldenschnitt und will die Privatisierungen stoppen, ist zugleich aber für den Verbleib Griechenlands in der EU und in der Euro-Zone. Tsipras hat das Bündnis aus der (Fast-)Bedeutungslosigkeit geführt – von 4,6 Prozent 2009 auf 26,9 Prozent 2012.

Der Fluss (To Potami): Demoskopen sehen die vergangenes Jahr gegründete neue pro-europäische Partei der politischen Mitte als drittstärkste Kraft im neuen Parlament mit knapp sechs Prozent. In ihren Reihen finden sich zahlreiche Technokraten, Uni-Professoren und Journalisten. Auch ihr Vorsitzender Stavros Theodorakis, 51, ist Journalist. Die Partei fordert eine breitestmögliche Zusammenarbeit der politischen Kräfte ein, um aus der Krise herauszukommen. Eine Zukunft für Griechenland sieht die Partei nur in der EU und im Euro.

Goldene Morgenröte (XA): Die rassistische und ausländerfeindliche Partei will alle Migranten aus Griechenland „vertreiben“. Viele ihrer Mitglieder gelten als gewaltbereit. Ihre Führung „ekelt sich“ nach den Worten ihres Vorsitzenden Nikolaos Michaloliakos vor dem Parlament. Michaloliakos und fast die gesamte Führung sitzen in Untersuchungshaft. Ihnen wird die Bildung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Mitglieder der Ultrarechten sollen 2013 einen linken Rapper totgeschlagen haben. Der Prozess auch wegen illegalen Waffenbesitzes und mehrerer Überfälle auf Ausländer soll im Frühjahr beginnen. Umfragen sehen die Ultrarechten bei rund fünf Prozent. Sie könnten sogar drittstärkste politische Kraft werden.

Kommunistische Partei Griechenlands (KKE): Die Hardliner-Kommunisten sprechen sich offen für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und der EU aus. Kein Cent solle mehr zur Tilgung an die Gläubiger gezahlt werden. Die Partei liegt in Umfragen bei etwa vier Prozent.

Panhellenische sozialistische Bewegung (Pasok): Die ehemals allmächtige Partei der Sozialisten unter ihrem heutigen Chef Evangelos Venizelos ist im Niedergang begriffen. Die Wahl 2009 hatte sie noch mit rund 44 Prozent gewonnen. Heute wird der Partei, die 2010 den Internationalen Währungsfonds und die Euroland-Partner um Hilfe gebeten hatte, mit rund vier Prozent gerade noch der Einzug ins Parlament zugetraut. Die Pasok ist für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone. Venizelos schließt eine Kooperation mit Syriza nicht aus, sollte das Linksbündnis die absolute Mehrheit verfehlen.

Bewegung der Demokraten und Sozialisten (Kidiso): Die Partei wurde Anfang des Jahres vom ehemaligen Pasok-Präsidenten Giorgos Papandreou gegründet. Der Ex-Regierungschef (2009– 2011) trennte sich von der Pasok, die sein Vater Andreas Papandreou 1974 gegründet hatte. Umfragen deuten darauf hin, dass Kidiso den Einzug ins Parlament verpassen könnte.

Unabhängige Griechen (AE): Die Führung der rechtspopulistischen Partei, einer Abspaltung der konservativen Nea Dimokratia, sieht das Land „besetzt“ von den Geldgebern. Daher müsse Griechenland „befreit“ werden. Athen sollte nichts an die Banken zurückzahlen. Laut Umfragen muss die Partei um den Wiedereinzug ins Parlament zittern.