Der linke Oppositionsführer Alexis Tsipras verspricht seinen Landsleuten eine Alternative zur Sparpolitik

Athen. Dimitris Tsarouchas arbeitet als Informatiker in Athen. Der 34-Jährige ist Stammwähler der Koalition der Radikalen Linken, kurz Syriza. Schon ihre Vorgängerpartei hat er gewählt, und nun unterstützt er Syriza, die griechische Partei, deren Name zurzeit in einem Atemzug mit Begriffen wie „Staatsbankrott“ und Euro-Austritt genannt wird. Seit Ende Dezember keine Regierungsmehrheit zustande kam, ist Syriza der Favorit bei den vorgezogenen Neuwahlen am 25. Januar.

Zwischen 28 und 30,4 Prozent der Stimmen werden dem linksradikalen Bündnis, das aus mehreren Splittergruppen und Plattformen besteht, prophezeit. Die konservative Nea Dimokratia von Ministerpräsident Antonis Samaras erreichte in den jüngsten Umfragen dagegen nur zwischen 25 und 27 Prozent. Es wird ein knappes Rennen. Leidenschaftlich wird in Griechenland über die Parteien diskutiert, die sich zur Wahl stellen. Der Informatiker Tsarouchas verfolgt die Auseinandersetzungen in den sozialen Netzwerken. „Jeden Tag wird die Rhetorik heftiger“, sagt er.

Syriza mit Alexis Tsipras an ihrer Spitze verspricht der Bevölkerung des verschuldeten Landes ein Ende der strikten Sparmaßnahmen. Der Parteichef plant einen Schuldenschnitt, außerdem ein umfassendes Sozialprogramm, neue Jobs im öffentlichen Sektor und einen Stopp der Privatisierung von Unternehmen. „Unsere Gegner werfen uns vor, dass wir den Bruch mit unseren Partnern in der Euro-Zone planen. Aber das, was wir planen und wonach wirstreben, ist der Bruch mit der Barbarei. Diese Sparsamkeitspolitik kann nicht weiterverfolgt werden. Das wissen sogar schon unsere EU-Partner“, verbreitet Tsipras. Das wirkt.

Ob sich seine Pläne auch umsetzen lassen, wird stark bezweifelt – sie seien schlicht nicht finanzierbar, kritisieren Gegner. Euro-Austritt und Staatsbankrott sind die Schlüsselwörter der aktuellen Schreckensszenarien. Und genau das löst nicht nur in einigen Teilen der griechischen Bevölkerung Angst aus. Auch andere Staaten sind besorgt.

Dimitris Tsarouchas will von all der Kritik nichts wissen: „Die Dämonisierung von Syriza ärgert mich sehr. Sechs Jahre lang versuchen sie uns jetzt schon einzureden, dass eine linke Regierung die Katastrophe des Landes wäre.“ Die Lebensbedingungen in Griechenland hätten sich vor allem in den vergangenen vier Jahren immer weiter verschärft. „Und das sogar ohne eine Regierung von Syriza“, sagt Tsarouchas. Der 34-Jährige und seine Generation erleben seit 2010 die dramatischen Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der Sparmaßnahmen. Eine Studie von Unicef belegt, wie sehr die Krise das Land zurückgeworfen hat: Die Lebensumstände der Familien sind auf dem Stand von 1998, 36 Prozent der Kinder leben unterhalb der Armutsgrenze.

Viele Anhänger erwarten, dass die neue Regierung sich an die Eliten des Landes wendet, die bisher nicht von den Folgen der Staatsverschuldung betroffen sind. Auch der 41-jährige Syriza-Anhänger Dimitris Kyparissis hat hohe Erwartungen an Parteichef Tsipras. „Es ist uns allen bewusst, dass die Krise, die wir seit sechs Jahren erleben, nicht nur eine finanzielle ist“, sagt der promovierte Politikwissenschaftler, der als Beamter in der Verwaltung arbeitet. „Es ist auch eine Krise der Werte.“ Diesen Missstand könnte eine Regierung mit Syriza lösen, sagt Kyparissis. Auch die Korruption, die in den vergangenen Jahren zugenommen habe, soll die Partei seiner Meinung nach bekämpfen. Mit einer linken Regierung könne man dem Rest Europas beweisen, dass eine andere Einstellung in der Politik möglich sei.

Je mehr Wählergruppen Syriza anspricht, desto schwerer wird es allerdings, all die Interessen unter einen Hut zu bringen. Kritisiert wird, dass Syriza viele Mitglieder der sozialistischen Pasok, die er für die Probleme Griechenlands mitverantwortlich macht, in ihre Reihen aufgenommen habe. Die Partei hat in den vergangenen Jahren extrem an Unterstützung verloren. 2012 erhielt sie nur etwas mehr als zwölf Prozent der Stimmen. Ihr ehemaliger Vorsitzender Giorgos Papandreou hat eine neue Partei gegründet. Mit der Bewegung der Demokraten (und) Sozialisten (Kidiso) wolle er die Vetternwirtschaft bekämpfen und das Land aus der Krise manövrieren. Pasok verliert damit noch mehr seiner Anhänger.

Die 42-jährige Olga, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, ist auch der Meinung, dass Syriza immer mehr an die sozialistische Partei erinnert – doch das stört sie nicht. Olga, die schon lange linksgerichtet wählt, spürt die Folgen der Wirtschaftskrise besonders stark. Seit 2011 ist sie arbeitslos. „Wegen der hohen Arbeitslosigkeitsrate ist es in meinem Alter besonders kompliziert, eine permanente Beschäftigung zu finden.“

In der Kleinstadt, in der sie lebt, eineinhalb Stunden von Athen entfernt, verläuft die Linie zwischen den extremen Parteien des linken und rechten Spektrums. Ein Teil der Bewohner unterstützt die rechtsradikale Goldene Morgenröte, die im Jahr 2012 mehr als neun Prozent gewann. Olga erhofft sich von einer wie auch immer gearteten linken Regierung, dass sie die sozialen Probleme zu lösen versuche und die Repressionen durch die Polizei vermindere. „Was die Ökonomie betrifft, bin ich nicht besonders optimistisch“, sagt sie.