US-Senat veröffentlicht Folterbericht. Der birgt auf 6300 Seiten innenpolitischen Sprengstoff

Washington. Ausnahmezustand an allen Fronten: Amerikanische Botschaften und andere Einrichtungen vor allem im Nahen Osten und im arabischen Staatenraum stellen sich auf mögliche Anschläge ein. Tausende Soldaten des Marine Corps wurden weltweit in Alarmbereitschaft versetzt. Und in Washington trommelten Demokraten auf der einen und Republikaner auf der anderen Seite für ihre Lesart des CIA-Folterberichts, von dem eine Zusammenfassung am Dienstag online ging. Er berichtete über die Folter an mindestens 20 Terroristen und Terrorverdächtigen. Drei Gefangene wurden dem sogenannten Waterboarding unterzogen.

Die Ironie am Rande: In dieser Frage war die Administration von Barack Obama dichter bei den Republikanern als bei den eigenen Demokraten. Außenminister John Kerry soll Senatorin Dianne Feinstein, eine resolute Demokratin aus Kalifornien, am Freitag angerufen und um eine Verschiebung der Veröffentlichung gebeten haben, weil die internationale Großwetterlage allzu angespannt sei. Doch im Januar konstituiert sich der 114. Senat mit seiner künftig republikanischen Mehrheit, die mutmaßlich die Veröffentlichung des Berichtes zumindest verschoben hätte. Der republikanische Präsident George W. Bush verantwortete die in dem Bericht kritisierten geheimdienstlichen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung nach dem 11. September 2001.

Feinstein, die dann nicht mehr dem Geheimdienstausschuss vorsitzen wird, lehnte daher Kerrys Wunsch ab. „Wir müssen diesen Report veröffentlichen“, sagte die Politikerin, die unter anderem in der Debatte um die NSA-Überwachungsprogramme die Regierungsaktivitäten beherzt verteidigt hatte. Der Umgang mit den Gefangenen habe „gesellschaftliche und verfassungsmäßige Werte, auf die wir stolz sind, untergraben“. Jeder, der diesen Bericht lese, „wird darauf bedacht sein, dies nie wieder geschehen zu lassen“.

George W. Bush hatte seinerzeit die Verhörmaßnahmen gebilligt. Der damalige CIA-Direktor George Tenet habe im März 2003 den Präsidenten informiert, dass der Al-Qaida-Terrorist Khalid Scheich Mohammed, der die Details für den 9/11-Terroranschlag ausgearbeitet haben soll, in Pakistan verhaftet wurde. Offensichtlich habe der Scheich weitere Anschläge geplant, über die er aber nicht reden wolle. Tenet bat Bush um die Erlaubnis, „erweiterte Verhörmethoden, darunter Waterboarding“, bei diesem Gefangenen anwenden zu dürfen. Bush schreibt darüber in seinen Memoiren „Decision points“: „Ich dachte an die 2973 Menschen, die al-Qaida mit 9/11 ihren Familien geraubt hatte. Und ich dachte an meine Pflicht, das Land vor einem weiteren Terrorakt zu beschützen. ‚Verdammt richtig‘, sagte ich.“ Damit war das Waterboarding, bei dem Gefangene einer simulierten Ertrinkungssituation ausgesetzt sind, genehmigt.

Dick Cheney, damals Vizepräsident neben Bush, widerspricht Feinsteins Schlussfolgerung, Waterboarding sei nicht effizient gewesen. Die „harten Verhörmaßnahmen“ vor über einem Jahrzehnt seien „absolut, total gerechtfertigt“, sagte Cheney diese Woche der „New York Times“. Der jetzt veröffentlichte Bericht wiederum widerspricht der Darstellung Cheneys. Es seien keinerlei Informationen gewonnen worden, die nicht auch durch andere Maßnahmen zutage gefördert wurden. Obama hatte kurz nach Beginn seiner Amtszeit das Waterboarding als Folter eingestuft und verboten. Als weitere „harsche Verhörmethoden“ werden der Schlafentzug über längere Zeiträume und das häufige Stoßen von Befragten gegen die Wand aufgezählt. Die CIA habe derartige Maßnahmen häufiger angewandt als bislang eingeräumt.

Und diese Schlussfolgerung birgt den brisantesten innenpolitischen Sprengstoff des Berichts. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Central Intelligence Agency das Weiße Haus und die gesamte Regierung über viele Vorgänge unzureichend informiert oder gar belogen habe. Bereits im Frühjahr musste die CIA einräumen, dass Geheimdienstler einen Senats-Computer zweimal gehackt haben, auf dem der Folterbericht erarbeitet wurde. Die CIA-Mitarbeiter, die angeblich ohne Wissen der Behördenspitze agierten, löschten unter anderem Dokumente, die auf dem Rechner gespeichert waren. Nach der Enthüllung des Vorgangs durch Feinstein untersuchte das Justizministerium die Vorwürfe. Das Weiße Haus versprach weitgehende Transparenz im Umgang mit den CIA-Aktivitäten. Doch dann schlug es Feinstein die Veröffentlichung einer ausgedünnten Version der Zusammenfassung vor, bei der 15 Prozent der Seiten geschwärzt waren. Das führte zum Streit mit der Senatorin. Letztlich setzte das Weiße Haus nur eine Schwärzung von fünf Prozent des Berichts durch.

6300 Seiten lang ist der eigentliche Folter-Bericht des Senats, der über sechs Millionen Seiten vor allem aus CIA-Akten ausgewertet hat und als geheim klassifiziert bleibt. Die online gestellte Zusammenfassung ist 480 Seiten stark und beinhaltet nach Versicherung von Feinstein alle wesentlichen Fakten ihrer Untersuchung. Die Republikaner hatten sich aus der Autorenschaft des Folterberichts zurückgezogen. Dennoch begrüßen sie im Grundsatz die Veröffentlichung. „Damit könnten künftige Regierungen davon abgehalten werden, zu ähnlichen Methoden zu greifen“, sagte Senator Lindsey Graham aus South Carolina.