Abbruch des EM-Qualifikationsspiels nach einer Provokation reißt Gräben zwischen Serben und Albanern auf

Belgrad. In der turbulenten Geschichte der Fußballkriege war es der erste Lufteinsatz: Der Flug einer Drohne im JNA-Stadion von Belgrad mündete am Dienstagabend in eine Schlägerei auf dem Fußballfeld, führte zum Abbruch des EM-Qualifikationsspiels Serbien–Albanien und zu den schwersten Verstimmungen zwischen beiden Ländern seit Jahren.

Der Grund dafür war die Fahne, die die Drohne über den Nachthimmel zog: Sie zeigte in den albanischen Farben Rot und Schwarz eine Karte des „ethnischen Albanien“, eines Fantasiegebildes, das neben dem Staat Albanien das Kosovo, halb Mazedonien, Teile Montenegros und Serbiens umfasst. Daneben grüßten die Konterfeis zweier Politiker, die 1912 die Unabhängigkeit des Landes erreicht hatten.

Der englische Schiedsrichter Martin Atkinson pfiff das Spiel vorübergehend ab. Als der serbische Spieler Stefan Mitrovic (SC Freiburg) die zeitweise tieffliegende Fahne zu fassen bekam und abriss, stürmten zwei albanische Spieler auf ihn zu und versuchten ihn daran zu hindern. Nach kurzem Gerangel unter den Spielern stürmten Zuschauer auf das Feld und drohten die Gastmannschaft anzugreifen. Die Albaner flüchteten, teils beschützt von serbischen Kollegen, in die Kabine und waren trotz guten Zuredens durch den Uefa-Delegierten zur Rückkehr nicht zu bewegen. Die Partie wurde abgebrochen. Der Europäische Fußballverband will Disziplinarverfahren gegen die Verbände beider Länder eröffnen.

Serbiens Außenminister Ivica Dacic sprach von einer „geplanten politischen Provokation“. Der serbische Fußballverbands-Vize Goran Milanovic sagte am Mittwoch: „Stellen Sie sich nur mal eine Situation vor, in der Israel Deutschland in Tel Aviv empfängt und jemand eine Hakenkreuzfahne mit dem Kopf Adolf Hitlers entrollt. Etwas Ähnliches hat sich gestern Abend im Partisan-Stadion ereignet.“

Zu der Drohnen-Aktion bekannte sich noch in der Nacht eine Fangruppe, die sich „Die Schmuggler von Skopje“ nennt. Serbische Polizisten meinten herausgefunden zu haben, die Drohne sei von der Ehrentribüne gesteuert worden, und kontrollierten den dort sitzenden Olsi Rama, den Bruder des albanischen Premiers Edi Rama. Bei Olsi Rama sei die Fernsteuerung für die Drohne gefunden worden, berichteten serbische Medien unter Berufung auf die Polizei. Dass er für 40 Minuten in Gewahrsam genommen worden sei, wie die serbische Presse berichtet hatte, stimme nicht, sagte Rama gestern. Er habe den Polizisten nur seinen Pass und seine Kamera zeigen müssen. Mit dem Drohnenflug habe er nichts zu tun.

Bei ihrer Rückkehr in die albanische Hauptstadt Tirana gestern Morgen wurde die Nationalmannschaft von Tausenden stürmisch begrüßt. Noch am Abend zuvor hatten im kosovarischen Pristina Hunderte das abgebrochene Spiel wie einen Sieg gefeiert. In Wien dagegen randalierten rund 50 Albaner in der Nacht zu Mittwoch. Sie warfen Flaschen auf ein vermutlich serbisches Kaffeehaus, wie die Polizei mitteilte. Kurz darauf versuchten rund 200 Serben, Polizeisperren zu durchbrechen. Einige Autos, darunter auch Polizeiwagen, wurden beschädigt.

Dass es bei diesem Spiel ein besonderes Sicherheitsrisiko gab, dessen waren sich die serbischen Behörden und die Uefa schon vor dem Abpfiff bewusst gewesen: Albanische Fans waren nicht zugelassen, umgekehrt sollen Serben nicht zum Rückspiel nach Tirana reisen dürfen. 4000 Polizisten waren in und um das Stadion im Einsatz.

Kopfschütteln rief unter Beobachtern die spontane Reaktion der Uefa hervor. Verantwortliche im Hauptquartier des europäischen Fußballverbands wollten das Spiel offenbar weitergehen lassen und die albanische Mannschaft bewegen, in den Hexenkessel des „Stadions der Jugoslawischen Volksarmee“ zurückzukehren. Über Konsequenzen muss nun der Kontroll- und Disziplinarausschuss der Uefa befinden.

Politisch passen Provokation und Wutausbruch weder der serbischen noch der albanischen Regierung ins Konzept. Albaniens Premierminister hatte schon vor dem Spiel für nächste Woche seinen Besuch in Belgrad angekündigt – den ersten eines albanischen Regierungschefs seit 68 Jahren. Ob dieser nun tatsächlich stattfinden wird, ist angesichts der Aktion in Belgrad fraglich.

Die EU verurteilte die Vorgänge. „Wir sind enttäuscht über den Abbruch des Fußballspiels nach einer Provokation“, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die Sprecherin forderte die Regierungen Serbiens und Albaniens zur Zusammenarbeit auf und mahnte: „Wir sind der Ansicht, dass Politik nicht durch Provokationen in Stadien beeinflusst werden sollte.“ Zudem wies sie Spekulationen serbischer Medien zurück, die EU habe bei dem Vorfall eine Rolle gespielt. Dort wurde die Meinung vertreten, der Vorfall sei eine Art Strafe für Belgrads enge Beziehungen zu Moskau.

Das mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird von Belgrad jedoch nicht anerkannt. Im April 2013 schlossen Belgrad und Pristina unter Vermittlung der EU ein Abkommen zur Normalisierung ihrer Beziehungen. Serbien, das Kosovo und Albanien wollen der EU beitreten.