Im Kampf gegen die Terrormilizen des Islamischen Staates melden aber auch die Kurden Etappensiege – mit einer Selbstmordattentäterin

Beirut. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist nach Angaben von Aktivisten in Randbezirke der seit Wochen umkämpften Stadt Kobane eingerückt und liefert sich heftige Gefechte mit kurdischen Kämpfern. Mustafa Bali von der kurdischen Mediengruppe „Freie Medienunion“ sprach von massiven Straßen- und Häuserkämpfen. Kurdische Volksschutzeinheiten würden sich den Extremisten in östlichen Gebieten der Stadt entgegenstellen und Zivilisten und lokale Amtsträger zur nahe gelegenen türkischen Grenze in Sicherheit bringen. Die Dschihadisten seien mit Panzern vorgerückt und setzten darüber hinaus Autobomben ein. Auch die syrischen Menschenrechtsbeobachter berichteten von Kämpfen im Osten Kobanes. Die selbst ernannten „Gotteskrieger“ hissten ihre Flaggen in Sichtweite der türkischen Grenze.

Kurdische Politiker hatten wenige Stunden zuvor die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgerufen und vor einem Massaker gewarnt. Kobane, auf Arabisch Ain al-Arab genannt, ist die letzte Bastion in einer Enklave, die bisher von kurdischen Volksschutzeinheiten kontrolliert wurde. Die kurdische Einheit YPG erklärte, bei Gefechten um den Grenzort Kobane habe es am Vortag mindestens 89 Tote gegeben.

Mindestens 14 türkische Panzer bezogen Verteidigungsstellungen auf einem Hügel nahe Kobane. Auch am Montag schlug ein Geschoss von den Kämpfen auf türkischer Seite der Grenze ein und beschädigte einen Lebensmittelladen, ohne jemanden zu verletzen. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete, türkische Behörden hätten wegen des wiederholten Granatenbeschusses die Evakuierung von drei Grenzdörfern angeordnet. Außerdem seien die Schulen in der Umgebung geschlossen worden.

Falls die Türkei an ihrer Grenze zu Syrien von der Terrormiliz Islamischer Staat angegriffen würde, würde für die Nato der Bündnisfall eintreten. Der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz sagte: „Wenn es einen Angriff geben würde, würde der gemeinsame Verteidigungsmechanismus aktiviert.“ Das Bündnis habe auf Bitte des Nato-Mitglieds Türkei eine Strategie entworfen, um das Land zu verteidigen. Einen schnellen Einsatz von Bodentruppen stellte Ankara aber den bedrängten Kurden nicht in Aussicht. „Wir werden alles nur Mögliche unternehmen, um den Menschen in Kobane zu helfen“, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu dem US-Sender CNN. „Bodentruppen zu schicken ist aber natürlich eine andere Entscheidung.“ Wenn man in Kobane eingreife, müsse man in ganz Syrien intervenieren. Die kurdischen Milizen waren lange das stärkste Bollwerk gegen den Vormarsch der sunnitischen Extremisten in Syrien, aber auch im Irak. Doch in den vergangenen Wochen wurden sie von den militärisch gut ausgerüsteten IS-Kämpfern massiv unter Druck gesetzt, obwohl sie Unterstützung durch Luftangriffe des internationalen Militärbündnisses unter Führung der USA erhielten. „Sie (die IS-Kämpfer) benutzen Panzer, Artillerie und alle möglichen Arten von Waffen, die sie in Irak und Syrien erbeutet haben“, sagte der syrische Kurdenkommandeur Nasser Hadsch Mansur.

Der Leiter des Beobachtungszentrums, Rami Abdurrahman, sagte, bei einem der Gefechte vom Vortag habe sich eine kurdische Kämpferin selbst in die Luft gesprengt und dabei zehn IS-Dschihadisten getötet. Die YPG bestätigte dies. Die Frau mit dem Kampfnamen Arin Mirkan gehörte zu den mehr als 10.000 Kämpferinnen der Kurden-Einheit YPG, die im Einsatz gegen den IS eine entscheidende Rolle spielen. Hadsch Mansur sagte, die kurdischen Kämpfer hätten am Sonntag ihre Position auf dem strategisch wichtigen Hügel Maschta Nur aufgegeben. Arin Mirkan sei zurückgeblieben und habe die anrückenden IS-Kämpfer mit ihrem Maschinengewehr beschossen, Granaten auf sie geworfen und sich schließlich inmitten der Angreifer selbst in die Luft gesprengt. Die Kurden hätten daraufhin die Stellung auf dem Hügel zurückerobern können. „Wenn nötig, werden alle unsere weiblichen und männlichen Kämpfer wie Arin werden“, hieß es in einer Erklärung der YPG.

Die YPG-Einheiten gingen jetzt von „Defensive auf Angriff über“, sagte der Chef der selbst ernannten Regionalregierung von Kobane, Anwar Muslim. Mittlerweile würden 5000 Kurden in Kobane kämpfen. „Unsere Kämpfer haben sich auf diesen Kampf vorbereitet“, sagte Muslim. Als Beispiel nannte er den ersten Selbstmordanschlag der Kurdin auf IS-Kämpfer. Auch im benachbarten Irak gingen die Kämpfe gegen Einheiten des IS weiter. 20 Kämpfer der Extremisten seien bei Luftangriffen des von den USA angeführten Bündnisses westlich der nordirakischen Stadt Mossul ums Leben gekommen, berichteten jetzt Augenzeugen. Zwölf weitere Extremisten seien bei Gefechten mit der irakischen Armee nahe Baidschi getötet worden, hieß es aus Sicherheitskreisen. Die IS-Dschihadisten hätten außerdem erneut die größte Ölraffinerie des Irak angegriffen, seien dort jedoch zurückgeschlagen worden.