US-Verteidigungsminister Chuck Hagel nennt die IS-Terrormiliz barbarisch. Sie sei eine extreme Bedrohung für Amerika

Washington. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als extreme Bedrohung für die Vereinigten Staaten bezeichnet. „Es ist weit mehr als eine Terrorgruppe“, sagte Hagel im Pentagon. Sie sei „so hoch entwickelt und gut finanziert wie keine andere“. Der Minister schloss nicht aus, auch Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien in Betracht zu ziehen. „Wir denken über alle Optionen nach“, sagte er. Auch Luftschläge in Syrien seien möglich.

Hagel ging davon aus, dass die IS sich nach den jüngsten Bodenverlusten im Irak neu formieren werde und dann eine neue Offensive starte. Der Minister kündigte eine Fortsetzung der Luftangriffe gegen IS-Stellungen im Irak an. Er betonte aber, dass der US-Einsatz klar eingegrenzt sei. Um die Extremisten zu besiegen, müsse der Irak seine innenpolitischen Probleme in den Griff bekommen, mahnte Hagel. Zudem teilte das Pentagon mit, dass US-Kampfjets sechs weitere Luftangriffe im Nordirak geflogen hätten, um die Kontrolle der örtlichen Truppen über den Mossul-Staudamm zu festigen. Dabei seien vier Militärfahrzeuge der Extremisten sowie mehrere an Straßenrändern deponierte Bombenvorrichtungen zerstört worden.

Generalstabschef Martin Dempsey erklärte, die Organisation könne nicht besiegt werden, ohne ihren Arm in Syrien ins Kalkül zu ziehen. Der Kampf müsse auf beiden Seiten der „quasi nicht existierenden Grenze“ zwischen dem Irak und Syrien geführt werden. „Das wird passieren, wenn wir ein Bündnis in der Region haben, das die Aufgabe übernimmt, IS langfristig zu besiegen“, sagte Dempsey. In Syrien musste der Islamische Staat einen Rückschlag hinnehmen. Bei Gefechten um einen Luftwaffenstützpunkt im Norden des Landes töteten Regierungstruppen Dutzende Kämpfer der Terrormiliz, wie Aktivisten und staatliche syrische Medien meldeten. IS-Kämpfer hätten eine Offensive gegen die Basis Takba in der Provinz Rakka gestartet und versucht, diese einzunehmen. Es ist der letzte Stützpunkt der syrischen Armee in der Region, die weitgehend von der sunnitischen Terrorgruppe beherrscht wird. In den vergangenen Tagen hatte die bereits einen Belagerungsring um die Einrichtung gezogen.

Im Kampf gegen den IS hat Großbritannien einen Schulterschluss mit Syriens Staatschef Baschar al-Assad ausgeschlossen. So eine Allianz sei weder praktikabel noch vernünftig, noch hilfreich, sagte Außenminister Philip Hammond am Freitag im BBC-Radio. „Es würde unserem Versuch schaden, moderat denkende Sunniten von der giftigen IS-Ideologie zu trennen, wenn wir uns mit Präsident Assad zusammentun würden“, sagte Hammond. Ehemalige hochrangige Politiker und Armeeangehörige hatten eine Zusammenarbeit mit al-Assad ins Spiel gebracht. Dessen Truppen kämpfen in Syrien auch gegen die IS-Extremisten.

In dem Bürgerkrieg sind in den vergangenen drei Jahren nach Uno-Angaben fast 200.000 Menschen getötet worden. Bis Ende April seien mindestens 191.369 Tote registriert worden, sagte die Uno-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay in Genf. Damit habe sich die Zahl der Todesopfer binnen Jahresfrist verdoppelt. Vermutlich liege sie aber noch viel höher, da viele Opfer überhaupt nicht gemeldet würden, sagte Pillay. Die Zahlen beruhen auf Angaben der syrischen Regierung sowie vier anderen Gruppen. Sie wurden von den Vereinten Nationen überprüft. Pillay kritisierte, die humanitäre Katastrophe in Syrien sei aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten: „Die Mörder und Folterer sind durch die internationale Untätigkeit noch ermutigt worden.“

Doch auch im Nachbarstaat Irak geht das Töten weiter. Bei einer Attacke auf eine sunnitische Moschee sind im Irak mindestens 73 Menschen getötet worden. Nach einem Selbstmordanschlag während des Freitagsgebets in dem Dorf Imam Wais, rund 120 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bagdad, hätten Bewaffnete das Feuer auf Gläubige eröffnet, berichteten irakische Beamte. Als Sicherheitskräfte und schiitische Milizionäre herbeieilten, seien weitere Bomben explodiert, sodass die Täter die Flucht ergreifen konnten.

Zudem steinigten Mitglieder des Islamischen Staats im Nordirak einen Mann wegen Ehebruchs. Die Steinigung am Donnerstag in Mossul war die erste derartige Hinrichtung, die der Al-Qaida-Ableger im Irak vornahm. Aus Syrien, wo der IS ebenfalls weite Landstriche beherrscht, wurden dagegen bereits ähnliche Fälle gemeldet.

Deutschland muss sich nach Ansicht von Menschenrechtlern auf die Ankunft zahlreicher Irak-Flüchtlinge in den nächsten Monaten vorbereiten. Viele Jesiden, die in den vergangenen Wochen vor der Terrormiliz Islamischer Staat geflohen seien, hätten Verwandte in Deutschland, sagte der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, in Göttingen. Somit könnten Hunderte versuchen, auf legalem oder illegalem Weg in die Bundesrepublik zu gelangen.

Besonders im Blick auf Wohnraum und medizinische Versorgung müssten sich Behörden und Bundesländer auf eine Zunahme der Flüchtlingszahlen einstellen, unterstrich Sido. Krankenhäuser müssten traumatisierte Menschen behandeln, die außerdem gezielte psychologische Betreuung bräuchten. „Die Barbarei der IS-Kämpfer ist gar nicht zu beschreiben.“ Deutsche Behörden und Aufnahmestellen sollten eng mit den jesidischen Verbänden zusammenarbeiten, riet der Menschenrechtler. Fast in jedem Ort gebe es einen Verband oder Verein, der beispielsweise bei der arabischen oder kurdischen Übersetzung helfen könne.

Angesichts knapper Unterbringungsmöglichkeiten ruft der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt zur Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen in den eigenen vier Wänden auf. Die Deutschen seien es gewohnt, dass Hilfeleistungen über staatliche Stellen oder Träger der Wohlfahrt geleistet werden, sagte Patzelt. Doch da gebe es Grenzen. „Deshalb rufe ich auf, über eine Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere von Müttern mit Kleinkindern, in ihren eigenen Häusern oder Wohnungen nachzudenken“, sagte der Parlamentarier. Für viele Bürger dürfte eine Aufnahme von Gästen „organisatorisch wie finanziell keine wesentliche Last darstellen“. Er wolle die Idee mit anderen Abgeordneten diskutieren.