Nach Angriffen militanter Palästinenser bombardiert Israel wieder Ziele in Gaza. Die Verhandlungen beider Seiten in Kairo stocken

Jerusalem/Kairo. Die Hoffnungen auf eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Konflikt haben sich vorerst zerschlagen. Als Antwort auf palästinensischen Raketenbeschuss griff die israelische Armee am Freitag rund 15 Ziele im Gazastreifen aus der Luft an. Dabei wurde nach palästinensischen Angaben ein zehnjähriges Kind getötet. Zuvor hatten militante Palästinenser nach Auslaufen einer dreitägigen Feuerpause wieder Raketen Richtung Israel abgefeuert. Deshalb setzte Israel auch Verhandlungen in Kairo über eine Beendigung des seit einem Monat andauernden Krieges aus.

Israel werde nur verhandeln, wenn die Waffen schweigen, sagte ein Regierungsbeamter. „Israel führt keine Verhandlungen unter Feuer.“ Palästinensische Quellen hatten zuvor berichtet, die am Dienstag aufgenommenen indirekten Gespräche würden am Freitag trotz erneuter Gefechte weitergehen.

Nach Angaben der israelischen Armee wurden seit dem Morgen 35 Raketen auf Israel gefeuert. Drei der Geschosse seien von Raketenabwehrsystemen abgefangen worden. Bei Raketeneinschlägen auf israelischer Seite gab es mehrere Verletzte. Der Armee zufolge wurden noch vor Ablauf der Frist zwei Raketen auf Israels Süden gefeuert. Die Hamas widersprach dieser Darstellung. „Wir werden weiter die Infrastruktur und die Operationszentren der Hamas angreifen, um die Sicherheit für den Staat Israel wiederherzustellen“, entgegnete der israelische Armeesprecher.

Viele Menschen im Gazastreifen versuchten, sich vor den neuen Angriffen in Sicherheit zu bringen. Die meisten Familien waren während der Feuerpause in ihre Wohnviertel zurückgekehrt. Bei den seit dem 8. Juli andauernden Kämpfen sind nach Angaben der Behörden im Gazastreifen 1876 Palästinenser ums Leben gekommen. Israel spricht von 64 getöteten Soldaten und drei Zivilisten.

Der militärische Flügel der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, hatte bereits am Donnerstagabend mit Angriffen auf Israel gedroht, sollten die Forderungen der Palästinenser nicht erfüllt werden. Dann gehe die Schlacht weiter, sagte Sprecher Abu Obaida im Hamas-eigenen Fernsehsender Al-Aksa. In Kairo verhandeln Israel und militante Palästinenser indirekt über eine längerfristige Lösung für den Gaza-Konflikt. Auch die USA sind beteiligt. Die israelische Delegation verließ die ägyptische Hauptstadt am Freitagmorgen, wie ein Sicherheitsbeamter bestätigte. Dem Vernehmen nach wollen sich die Unterhändler mit der Regierung in Israel über die weitere Verhandlungsstrategie abstimmen. Nach Ansicht Ägyptens seien Fortschritte erzielt worden. „Bei der großen Mehrheit der für die Palästinenser wichtigen Streitfragen wurde eine Einigung erzielt, und nur ganz wenige Punkte blieben ohne Lösung“, so das Außenministerium in Kairo.

Der Hamas-Vertreter erklärte, sie hätten eine Verlängerung der 72-stündigen Waffenruhe abgelehnt. Die Verhandlungen würden aber fortgesetzt. „Wir werden unsere Anstrengungen fortsetzen, um die Aggression zu stoppen und die berechtigten Anliegen unser Bevölkerung zu erreichen. Die Palästinenser fordern eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens und eine Öffnung der Grenzübergänge. Neben der Aufhebung von Einschränkungen bei der Geldüberweisung und einer Ausweitung der Fangzone für Fischer bestehen sie auf dem Bau eines See- und Flughafens in dem schmalen, 40 Kilometer langen Küstenstreifen. Außerdem sollen Häftlinge in Israel freigelassen werden. Israel fordert als Bedingung für einen Wiederaufbau des zerstörten Gazastreifens eine Entmilitarisierung und eine Entwaffnung der militanten Organisationen. Dies lehnt die Hamas bislang kategorisch ab.

Die militanten Palästinenser üben seit 2007 ununterbrochen die Macht im Gazastreifen aus. „Die Zentren ihrer Herrschaft sind die Moscheen“, erklärt ein Journalist aus Gaza, der nicht namentlich genannt werden will, das System. „Jedes Wohnviertel, jeder Straßenzug ist einer Moschee zugeordnet. Deren Emir (Führer) hält seinen Rayon eisern im Griff. Zeitgenossen, die als „illoyal“ gelten, werden bespitzelt. Da sind dann oft 13- oder 14-Jährige, die beobachten, ob ein Ortsfremder den Betreffenden besucht, und das dann in der Moschee melden.“ Auch die mutmaßliche Hinrichtung des ehemaligen Hamas-Sprechers Aiman Taha wirft ein Schlaglicht auf die brutale Herrschaft.

Ein Hamas-Kritiker meinte dieser Tage, unter strikter Zusicherung der Anonymität: „Sie haben den Menschen das Blaue vom Himmel versprochen. Und was wird am Ende herauskommen? Ein paar Meilen mehr, die die Fischer aufs Meer hinausfahren dürfen, und ein paar Lkw-Ladungen mehr, die die abgeriegelte Grenze zu Israel passieren dürfen. Beide Seiten – die unsrige und Israel – haben nichts erreicht, rein gar nichts.“

Tatsächlich mag die Hamas im 1,8 Millionen Einwohner zählenden Gazastreifen nicht allgemein populär sein – zu ihrer „Siegesfeier“ am Donnerstag kamen gerade einmal ein paar Tausend eingefleischte Anhänger. Zugleich sind die Erwartungen an die Machthabenden hoch. Nach Schätzung der Uno-Behörde Ocha wurden in diesem Krieg 10.800 Häuser und Wohnungen zerstört, 65.000 Menschen wurden deshalb obdachlos. Viele von ihnen gehen davon aus, dass ihnen bald wieder neue Heime hingestellt werden. Der Journalist aus Gaza: „Mit leeren Händen können da die Hamas-Unterhändler nicht zurückkommen.“ Israel jedoch fürchtet aus guten Gründen Sicherheitsrisiken, wenn für Gaza bestimmte Baumaterialien in den Händen der Tunnelbauer der Hamas landen.