Zwei Drittel der Bundesbürger sprechen sich in repräsentativer Umfrage gegen deutsches Engagement aus

Berlin/Gaza. Das Stimmungsbild ist eindeutig: Rund zwei Drittel der Bundesbürger (69 Prozent) plädieren dafür, dass sich die Bundesregierung aus dem Konflikt um den Gazastreifen heraushalten soll. Das haben die Demoskopen von Infratest dimap für den aktuellen Deutschlandtrend im Auftrag der ARD-„Tagesthemen“ und der Zeitung „Welt“ ermittelt. Währenddessen droht eine Wiederaufnahme der blutigen Auseinandersetzung: Am Donnerstagabend war unklar, ob die radikalislamische Hamas einer Verlängerung der am Freitagmorgen auslaufenden Waffenruhe zustimmen würde.

Geht es nach den Bundesbürgern, so sollte sich Deutschland möglichst wenig an dem Konflikt beteiligen. Nur jeder Zehnte sprach sich dafür aus, dass sich die Bundesregierung entschlossener für die Palästinenser einsetzen soll. Für mehr Einsatz zugunsten Israels waren sechs Prozent. Die Hauptverantwortung an der Eskalation im Gaza-Konflikt sahen die Befragten mit großer Mehrheit (64 Prozent) bei beiden Konfliktparteien gleichermaßen.

Kurz vor Ende der dreitägigen Feuerpause im Gaza-Krieg hat die radikal-islamische Hamas Druck auf Erfüllung ihrer Forderungen gemacht. Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, erklärten, sie würden die Kämpfe wieder aufnehmen, falls die „legitimen Forderungen des bewaffneten Widerstands“ nicht berücksichtigt würden. Bei indirekten Gesprächen in Kairo bemühen sich ägyptische Vermittler um eine dauerhafte Waffenruhe zwischen Israel und den militanten Palästinenserorganisationen in Gaza. Doch von beiden Konfliktparteien ist rhetorisches Säbelrasseln zu hören.

Die 72-stündige Feuerpause begann am Dienstag und sollte bis Freitagmorgen um sieben Uhr (MESZ) laufen. Beide Seiten hielten sie bis Donnerstagabend ein. Eine Verlängerung der Waffenruhe, um einer Einigung in Kairo mehr Zeit zu geben, lehnte die Hamas – anders als Israel – ab. Sie stehe nicht zur Debatte, sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri am Donnerstag in Gaza.

Israel drohte bereits mit Gegenmaßnahmen, sollten die militanten Palästinenserorganisationen nach Ablauf der Feuerpause ihre Angriffe wieder aufnehmen. „Die Armee wird dann wieder aktiv werden, und ich denke, mit größerer Wucht“, sagte Kommunikationsminister Gilad Erdan dem israelischen Rundfunk.

Hamas-Führer Muschir al-Masri erklärte seine Organisation zum Sieger in der jüngsten bewaffneten Auseinandersetzung mit Israel. „Wir können heute sagen, dass wir gewonnen und den Feind besiegt haben“, sagte er vor Tausenden Anhängern in Gaza. Diese demonstrierten in den Straßen von Gaza für die bewaffneten Palästinenserorganisationen und deren Forderungen bei den Verhandlungen in Kairo.

Al-Masri sagte weiter: „Dieser Waffengang ist nur der Auftakt für eine große Siegesschlacht, die die Besatzung beenden wird.“ Die Militanten hielten noch Überraschungen bereit, die „größer sind als die Raketen, die Israel tief im Inneren getroffen haben“. Was er damit konkret meinte, wurde nicht klar.

Die Hamas ist nach Medienberichten bislang mit dem Verlauf der Verhandlungen in Kairo unzufrieden. Ihre Hauptforderung ist eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens, mit der Israel den Luftraum, die Seegrenze und den Großteil der Landgrenze kontrolliert. Israel fordert als Bedingung für einen Wiederaufbau des zerstörten Palästinensergebietes eine Entwaffnung der militanten Organisationen.

Seit Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen vor einem Monat sind nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 1886 Menschen getötet und mehr als 9800 verletzt worden. Auf der israelischen Seite kamen 64 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben, mehr als 500 Menschen wurden verletzt.

Fast 11.000 Familien verloren bei den Angriffen ihre Wohnungen

Die Uno und die im Gazastreifen tätigen Hilfsorganisationen haben sich während der Waffenruhe einen ersten Überblick über die dringendsten Notmaßnahmen verschafft. Ihre Berichte insbesondere des UN-Nothilfekoordinators und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass erhebliche Anstrengungen nötig sind, um Leben zu retten sowie Seuchen und bleibende Schäden einzudämmen.

Die Zahl der Binnenflüchtlinge in Uno-Einrichtungen ist von 273.000 am Montag auf jetzt unter 180.000 gesunken. Sie könnte aber schnell wieder ansteigen, wenn die Kämpfe wieder aufflammen. Für 64.650 Menschen aus 10.770 Familien müssen langfristig neue Wohnungen gefunden werden, weil ihre Wohnungen zerstört oder irreparabel beschädigt wurden. Unter ihnen sind chronisch Kranke, Patienten mit hochansteckenden Krankheiten, Schwangere und junge Mütter mit ihren Säuglingen. Sie benötigen mittelfristig auch Barmittel. Die Wohnungen von weiteren mehr als 60.000 Menschen müssen repariert werden.

In den völlig überbelegten Krankenhäusern fehlt es an Betten, Medikamenten und Personal, beklagt die WHO. Nicht alle Mitarbeiter können zur Arbeit kommen, weil sie selbst zu den Binnenflüchtlingen gehören.