Vormarsch der Isis-Rebellen löst in Riad große Sorgen aus. Ist das Ziel Mekka? Das Königshaus fürchtet einen Umsturz

Hamburg. Immer mehr Länder im Nahen Osten sind alarmiert vom Vormarsch der radikal-islamischen Isis-Rebellen. Am Donnerstag bestätigte Saudi-Arabien, 30.000 Soldaten an der 900 Kilometer langen Grenze zum Irak zusammengezogen zu haben. König Abdullah habe alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um das Land vor „terroristischen Bedrohungen“ zu schützen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SPA in Riad. Damit ist endgültig deutlich geworden, wie dramatisch die Bedrohung der ganzen Region durch die sunnitische Miliz geworden ist. Isis hat durch seinen Siegeszug im Irak und in Syrien dort bereits ein grenzübergreifendes Gebiet von der Größe Jordaniens erobert und ein Kalifat ausgerufen. Als „Kalif“ beansprucht Isis-Chef Abu Bakr al-Baghdadi für sich die Position eines obersten „Befehlshabers der Gläubigen“. Für das sunnitische Saudi-Arabien, dessen König Abdullah ibn Abd al-Asis als Hüter der heiligen Stätten in Mekka und Medina eine Führungsrolle im Islam einnimmt, stellt dies eine direkte Herausforderung dar.

Der saudische Geheimdienst und reiche Saudis stehen zwar im Verdacht, die Entstehung von Isis aktiv gefördert zu haben, um die verhassten Schiiten im Irak sowie das den Schiiten verwandte alawitische Assad-Regime in Syrien zu schwächen – und damit indirekt den großen Rivalen Iran. Doch ähnlich wie al-Qaida ist Isis nicht zuletzt eine tödliche Bedrohung für das saudische Königshaus selbst. Für ultraradikale Dschihadisten ist die Saud-Monarchie dekadent sowie prowestlich und muss gestürzt werden. Dem Regime in Saudi-Arabien steckt der Schrecken der Aufstände und Anschläge von Militanten der vergangenen Jahre noch in den Gliedern. 1979 hatten rund 500 radikal-islamische Kämpfer die Große Moschee in Mekka besetzt; die Rebellion konnte am Ende nur von französischen Eliteeinheiten niedergeschlagen werden, 330 Menschen kamen ums Leben. 2003 gab es in Riad bei mehreren Al-Qaida-Anschlägen mindestens 50 Tote. Die Armee Saudi-Arabiens ist aufgrund der innenpolitischen Bedrohung sowie der wachsenden Rivalität mit dem schiitischen Iran massiv aufgerüstet worden und gilt nun als die schlagkräftigste im Nahen Osten – nach der israelischen. Sie zählt mehr als 230.000 Mann.

Fast die Hälfte der saudisch-irakischen Grenze verläuft entlang der irakischen Provinz Anbar, einer Isis-Hochburg. Saudi-Arabien, das auch vom Jemen aus von Dschihadisten bedroht wird, hat die Grenze zum Irak mit einer aufwendigen Sperranlage gesichert. Derzeit liegt die Gefahr weniger in einem Frontalangriff der Isis-Kämpfer als im Einsickern opferbereiter saudischer Extremisten, von denen es Hunderte, vielleicht Tausende bei Isis geben soll. Experten gehen davon aus, dass diese Männer durch die grausamen Isis-Methoden brutalisiert und fanatisiert sind. Ihr Ziel dürfte langfristig sein, die Heiligen Stätten Mekka und Medina unter ihre Kontrolle zu bringen; damit wäre der Anspruch des „Kalifen“ auf die Vormacht im Islam untermauert.